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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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sein.«
    »Ich möchte kein Papst werden.«
    »Was möchtest du dann?«
    »Pie'oh'pah, zum Beispiel. Und eine Möglichkeit, dies alles zu verstehen.«
    »Was willst du verstehen? Du bist geboren, um die Domänen zusammenzuführen. Du mußt dich deiner Verantwortung stellen, darfst sie nicht ablehnen.«
    »Und was ist mit dir? Wozu bist du geboren? Du kannst nicht dauernd irgendwelche Städte bauen.« Gentle sah aus dem Fenster und betrachtete die Verwüstung. »Hast du Yzordderrex deshalb zerstört? Um noch einmal von vorn zu beginnen?«
    »Ich habe die Stadt nicht zerstört. Eine Revolution fand statt.«
    »Aufgrund der von dir angerichteten Massaker. Vor einigen Wochen habe ich mich in einem Dorf namens Beatrix aufgehalten...«
    »Ah ja. Beatrix.« Sartori atmete tief durch. »Du warst es.
    Natürlich. Ich fühlte mich von jemandem beobachtet, aber ich wußte nicht, wessen Blick auf mir ruhte. Ich fürchte, durch all den Ärger bin ich grausam geworden.«
    »Du bezeichnest so etwas als ›grausam‹? Ich nenne es un-menschlich.«
    »Vielleicht verstehst du nicht sofort - aber früher oder später siehst du ein: Manchmal sind solche Extreme notwendig.«
    »Ich kannte einige der betroffenen Personen.«
    »Du brauchst dir mit so unangenehmen Dingen nie die Hände schmutzig zu machen. Ich erledige alles Erforderliche.«
    »Ich auch«, betonte Gentle.
    Sartori runzelte die Stirn. »Ist das eine Drohung?« fragte er.
    »Die ganze Sache begann mit mir - und sie wird mit mir enden.«
    »Welches Selbst meinst du, Maestro? Jenes dort...?« Der 727

    Autokrat deutete auf Gentle. »Oder dies hier? Wir sind nicht dazu bestimmt, Feinde zu sein. Gemeinsam können wir viel erreichen.« Er legte Gentle die Hand auf die Schulter. »Das Schicksal fordert uns auf, Verbündete zu werden. Deshalb schwieg der Zapfen so viele Jahre lang. Er hat auf dich gewartet, darauf, daß wir zusammen sind.« Sartoris Züge glätteten sich. »Sei nicht mein Feind«, fügte er hinzu. »Allein die Vorstellung...«
    Draußen erklang ein Schrei, und der Autokrat wandte sich von Gentle ab und trat zur Tür. Ein Soldat wankte mit aufgeschlitzter Kehle durch den Flur - vergeblich versuchte er, sich die klaffende Wunde mit der einen Hand zuzuhalten. Er taumelte, stieß gegen die Wand und sank zu Boden.
    »Der Mob scheint hier zu sein«, sagte Sartori, und in seiner Stimme erklang ein Hauch Zufriedenheit. »Es wird Zeit für dich, eine Entscheidung zu treffen, Bruder. Beschreiten wir Seite an Seite den Weg der Macht, oder soll ich allein über die Fünfte Domäne herrschen?«
    Weitere Stimmen erklangen, und innerhalb weniger Sekunden wurde der Lärm so laut, daß Sartori und Gentle kaum mehr miteinander sprechen konnten. Der Autokrat gab den Versuch auf, Zacharias umzustimmen, und trat statt dessen in den Korridor.
    »Bleib hier«, sagte er. »Und denk darüber nach, während du wartest.«
    Gentle ignorierte die Anweisung; als Sartori hinter der nächsten Ecke verschwand, folgte er ihm sofort. Der Lärm verklang, und er hörte nur noch ein leises Pfeifen, das aus der Luftröhre des Sterbenden drang. Er ging schneller und fürchtete plötzlich, daß man einen Hinterhalt für sein anderes Ich vorbereitet hatte. Zweifellos verdiente Sartori den Tod - sie verdienten ihn beide. Aber es gab noch immer viele Geheimnisse, die entschleiert werden mußten, und dabei konnte der Autokrat helfen. Gentle benötigte Informationen 728

    von ihm, insbesondere über die fehlgeschlagene Rekonziliation. Es galt, ihn vor Gefahren zu schützen, zumindest so lange, bis Zacharias von ihm genug Hinweise bekommen hatte, um das Rätsel zu lösen. Irgendwann mußten sie beide für ihre Exzesse büßen; aber noch war es nicht soweit.
    Als er über den toten Soldaten hinwegtrat, hörte er die Stimme des Mystifs. Sie formulierte nur ein Wort.
    »Gentle.«
    Dieses Geräusch - sein Name, formuliert von Pie'oh'pahs Stimme - verdrängte alle Sorgen um Sartoris Wohl und die eigene Sicherheit. Von einem Augenblick zum anderen dachte er nur noch daran, zu dem Ort zu gelangen, wo sich der Mystif befand, ihn zu sehen und zu umarmen. Viel zu lange waren sie getrennt gewesen. Ganz gleich, was die Zukunft bringen mochte, welche Pflichten sie wahrnehmen mußten: Gentle schwor sich, den Mystif nie wieder allein zu lassen.
    Er eilte um die Ecke und erreichte den Korridor, der zum Vorzimmer führte. Sartori stand dort, und als er Gentles Schritte hörte, drehte er sich um. Das freundliche Lächeln in

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