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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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in die Nase, um nicht mehr den Gestank des In Ovo zu riechen, und Gentle wies ihn an, den Rest liegenzulassen. Der Duft des Saftes im Grün war viel angenehmer als der Geruch, den Sartori mit sich bringen würde, wenn - falls? - er das Haus erreichte. Als er den Namen des Feindes hörte, nahm Dunkles Loch wieder auf dem Fenstersims Platz.
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    »Irgendwelche Anzeichen?« fragte Gentle.
    »Ich sehe keine.«
    »Und was fühlst du?«
    »Oh...« Der Oviat spähte durch den Baumwipfel. »Es ist ein herrlicher Abend, Liberatore. Aber er wird bestimmt versuchen, ihn zu ruinieren.«
    »Ich glaube, da hast du recht. Bleib noch etwas hier, in Ordnung? Ich mache mit Clem eine Runde ums Haus. Wenn du etwas bemerkst...«
    »Dann hört man mich bis nach L'Himby«, versicherte Dunkles Loch.
    Schon kurze Zeit später löste er sein Versprechen ein. Gentle hatte noch nicht das untere Ende der Treppe erreicht, als der Oviat so laut kreischte, daß Staub von den Dachsparren rieselte. Der Maestro forderte Montag und Clem auf, alle Türen zu schließen, stürmte die Stufen hoch und erreichte die letzte rechtzeitig genug, um zu sehen, wie sich die Tür des Meditationszimmers öffnete. Dunkles Loch sauste in den Korridor und heulte noch immer. Wovor auch immer er warnen wollte: Er brachte kein einziges verständliches Wort hervor.
    Gentle hielt sich nicht damit auf, ihm Fragen zu stellen, lief durch den Flur und holte Luft, um Sartoris Schergen mit einem Pneuma einzufangen. Am Fenster rührte sich nichts, als er über die Schwelle trat, doch der Kreis aus Steinen füllte sich nun: Zwei Gestalten materialisierten dort. Der Rekonziliant sah einen Transfer zum erstenmal aus dieser Perspektive, und er stand wie erstarrt, während er einen Vorgang beobachtete, der einerseits faszinierend und andererseits scheußlich war - das Sichentfalten von lebendem Fleisch zeichnete sich nicht gerade durch Ästhetik aus. Gentle behielt die beiden Gestalten im Auge, und noch vor dem Ende des Transits erkannte er eine der Personen als Jude. Die andere erwies sich schließlich als eine schielende junge Frau - sie mochte siebzehn oder achtzehn sein. Sie sank sofort auf die Knie, als die Muskeln wieder den 120
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    Befehlen ihres Gehirns gehorchten, schluchzte und vergoß Tränen des Entsetzens. Für Judith war es die vierte Reise dieser Art, aber selbst sie zitterte heftig. Sie wankte aus dem Kreis, stolperte und taumelte; Gentle trat rasch vor und stützte sie.
    »Das In Ovo«, ächzte Jude. »Es hätte uns fast erwischt.«
    In ihrer Wade zeigte sich ein langer Riß.
    »Ich habe Zähne gespürt...«
    »Du kannst von Glück sagen«, erwiderte Gentle. »Immerhin hast du noch beide Beine. Clem! Clem!«
    Er kam ins Zimmer, gefolgt von Montag.
    »Haben wir etwas, um das hier zu verbinden?«
    »Natürlich! Ich hole schnell Verbandszeug...«
    »Nein«, widersprach Jude. »Bringt mich nach unten. Dieser Boden sollte kein Blut kennenlernen.«
    Montag kümmerte sich um Hoi-Polloi, während Clem und Gentle Judith zur Tür trugen.
    »Vorher herrschte im In Ovo kein solcher Wahnsinn«, sagte sie. »Meine Güte, dort geht's drunter und drüber...«
    »Weil es Besuch von Sartori erhielt«, erklärte Gentle. »Er hat sich eine Armee geholt.«
    »Und dadurch erhebliche Unruhe erzeugt.«
    »Wir haben nicht mehr zu hoffen gewagt, daß du zurückkehrst«, ließ sich Clem vernehmen.
    Judith hob den Kopf. Durch den Schock war ihre Haut wächsern geworden, und der Versuch eines Lächelns fiel eher kläglich aus.
    »Jetzt bin ich hier«, stellte sie fest. »Und ich habe gute Nachrichten.«
    Noch drei Stunden und vier Minuten bis Mitternacht. Die Zeit genügte nicht für ein langes Gespräch, aber Gentle benötigte zumindest eine kurze Erklärung: Was hatte Judith veranlaßt, Yzordderrex aufzusuchen? Sie wurde im vorderen Zimmer untergebracht, das infolge von Montags Raubzügen mit Kissen, Konserven und sogar Zeitschriften ausgestattet 1203

    war. Während Clem ihr dort das Bein verband, erzählte sie von den Geschehnissen in der anderen Domäne.
    Es fiel ihr nicht leicht, sich auf die wesentlichen Einzelheiten zu beschränken. Mehrmals versuchte sie, bestimmte Szenen in Yzordderrex zu beschreiben und gab es schließlich auf, weil ihr geeignete Worte fehlten, um Beobachtungen und Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Gentle hörte zu, ohne Jude zu unterbrechen. Seine Züge verhärteten sich ein wenig, als sie erwähnte, daß Uma Umagammagi die Mitglieder der Synode überprüft hatte,

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