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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Der Speichel der Oviaten bewirkte Blasen auf der Haut, aber ansonsten war er unverletzt.
    »Es ist alles in Ordnung mit mir, Judy...«, murmelte Clem.
    »Kehr ins Haus zurück.«
    Sie blieb auch weiterhin stehen und wartete, bis er sich ganz aufgerichtet hatte und ihr entgegentaumelte.
    »Kehr ins Haus zurück!« wiederholte er mit mehr Nachdruck.
    Sie umarmte ihn und flüsterte:
    »Ich möchte nicht mit dir streiten, Clem. Geh du ins Haus und schließ die Tür hinter dir ab. Ich begleite dich nicht.«
    Er wollte widersprechen, aber Judith ließ keine Einwände zu.
    »Nein, Clem. Ich möchte zu ihm. Ich... ich möchte bei ihm sein. Bitte. Wenn dir etwas an mir liegt... Geh hinein und schließ die Tür.«
    Sie spürte das Widerstreben in jeder einzelnen Faser seines Körpers, aber er kannte sich zu gut mit dem Phänomen der Liebe aus - vor allem mit Liebe, die aus dem Rahmen des Üblichen fiel -, um sie jetzt mit einer Diskussion aufzuhalten.
    »Vergiß nicht, was er getan hat«, riet er ihr.
    »Das gehört dazu, Clem«, entgegnete Judith und ging an ihm vorbei.
    Es war leicht, den Bereich des Lichts zu verlassen. Die Rekonziliationsenergien hatten sie mit Schmerzen erfüllt, und diese Pein ließ nun nach, als der Abstand zum Haus zunahm.
    Der Gedanke an das unmittelbar bevorstehende Wiedersehen 123
    2

    beschleunigte ihre Schritte. Dies entsprach nicht nur ihrem Wunsch, sondern auch seinem. Die ersten Ursachen der Leidenschaft existierten inzwischen nicht mehr - die eine hatte sich dem Staub hinzugesellt, die andere dem Göttlichen -, aber sie und der Mann im Dunkeln waren ihre Inkarnationen. Das Band zwischen ihnen ließ sich nicht zerreißen.
    Einmal sah sie zum Haus zurück und bemerkte, daß Clem vor der Tür zögerte. Sie vergeudete keine Zeit damit, ihn noch einmal aufzufordern, ins Haus zurückzukehren. Statt dessen wandte sie sich der Dunkelheit zu und fragte: »Wo bist du?«
    »Hier«, erwiderte Sartori und trat aus der Mitte seiner Legion.
    Ein Strang aus leuchtender Materie folgte ihm, dünn genug, um von einer In-Ovo-Spinne zu stammen. Doch hier und dort zeigten sich perlenartige Verdickungen, schwollen an und lösten sich von dem fadenartigen Gebilde. Sie rollten Gentles Bruder über Wangen und Arme und formten Flecken auf dem Boden. Das Glühen verlieh ihm Attraktivität, aber Judith war zu sehr an dem wahren Ausdruck seines Gesichts interessiert, um sich von dem Schimmern ablenken oder gar täuschen zu lassen. Ihr Blick durchdrang die Aura aus Licht, erfaßte das tatsächliche Selbst darunter und stellte Veränderungen fest. Der selbstbewußte Geck, dem sie in Kleins Plastikgarten begegnet war, existierte nicht mehr. Jetzt offenbarten die Augen tiefe Verzweiflung, und die Mundwinkel neigten sich müde nach unten. Hinzu kam zerzaustes Haar. Vielleicht hatte er immer so ausgesehen. Vielleicht hatte er irgendeinen Zauber benutzt, um sein wahres Erscheinungsbild zu verschleiern. Doch das bezweifelte Jude: Der äußere Wandel ging auf einen inneren zurück.
    Hilflos stand sie vor ihm, ohne eine Möglichkeit, sich zu verteidigen, aber er versuchte nicht, sie zu berühren, hielt sich zurück wie ein Büßer, der eine Einladung abwartet, bevor er es wagt, an den Altar heranzutreten. Judith fand Gefallen an 1233

    dieser neuen Schüchternheit.
    »Ich habe die Schutzengel nicht verletzt«, sagte er leise.
    »Du hättest sie nicht einmal festhalten dürfen.«
    »Auf diese Weise sollte es nicht geschehen«, wiederholte Sartori. »Die Gek-a-gek waren ungeschickt. Sie ließen dieses Fleisch vom Dach fallen.«
    »Ich hab's gesehen.«
    »Ich wollte bis zum Ende des energetischen Stroms warten, um dich dann mit Würde abzuholen.« Gentles Bruder legte eine kurze Pause ein. »Hättest du dich von mir holen lassen?«
    »Ja.«
    »Ich war mir nicht sicher. Ich hatte Angst, von dir zurückgewiesen und dadurch zu Grausamkeiten getrieben zu werden. Nur du bewahrst mich vor dem Wahnsinn. Ohne dich würde ich den Verstand verlieren.«
    »Du hast viele Jahre lang ohne mich gelebt, in Yzordderrex.«
    »Da irrst du dich. Du bist dort bei mir gewesen, unter einem anderen Namen.«
    »Und trotzdem warst du grausam.«
    »Ohne dich hätte ich noch viel grausamer sein können«, erwiderte Sartori. Es klang so, als sei er von dieser Möglichkeit überrascht. »Allein dein Gesicht verhinderte mehr Erbarmungslosigkeit.«
    »Mehr bin ich nicht für dich? Nur ein Gesicht?«
    »Du solltest es eigentlich besser wissen.« Jetzt flüsterte er

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