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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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locken. Jude kannte ein einziges Mittel, um das zu bewerkstelligen; wenn es versagte, bekam sie keine zweite Chance.
    »Ich liebe dich«, sagte sie.
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    Inzwischen war es zu dunkel, um Sartori erkennen zu können, aber sie spürte seinen Blick.
    »Ich weiß«, erwiderte er ohne Gefühl. »Aber mein Himmlischer Vater liebt mich noch mehr. Jetzt liegt alles in Seinen Händen.«
    Judith hörte die Oviaten und glaubte, ihren kalten Atem am Nacken zu spüren.
    »Ich will dich nie Wiedersehen«, sagte Sartori.
    »Bitte schick deine Diener fort.« Sie erinnerte sich an Clem: beide Arme in den Rachen der Gek-a-gek.
    »Wenn du jetzt freiwillig gehst, lassen sie dich in Ruhe«, betonte Sartori. »Ich muß mich um die Angelegenheiten meines Vaters kümmern.«
    »Er liebt dich nicht.«
    »Verlaß diesen Raum.«
    »Er ist gar nicht fähig, jemanden zu lieben...«
    »Du sollst gehen.«
    Jude stand auf - es gab nichts mehr zu sagen. Als sie dem Kreis den Rücken zukehrte, preßten ihr die beiden Gek-a-gek die kühlen Flanken an die Beine und geleiteten sie zur Tür, um sicherzustellen, daß sie nicht doch noch einen Anschlag auf das Leben ihres Herrn unternahm. Anschließend durfte sie ohne Eskorte zum Treppenabsatz gehen. Clem stand einige Stufen weiter unten, in der rechten Hand einen Knüppel, aber Judith warnte ihn davor, noch näher zu kommen. Sie fürchtete, daß ihn die Gek-a-gek mit ihren Klauen in Fetzen reißen würden, wenn er auch nur noch eine weitere Stufe hinter sich brachte.
    Hinter ihr fiel die Tür des Meditationszimmers zu, und ein Blick zurück bestätigte ihre Vermutung: Die Oviaten waren Jude aus dem Raum gefolgt und hielten nun vor dem Zugang Wache. Sie wollte auf jeden Fall vermeiden, die Wesen zu provozieren und ging sehr vorsichtig, als sie sich langsam entfernte. Erst auf der Treppe wagte sie es, schneller einen Fuß vor den anderen zu setzen.
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    Unten schimmerte Licht, doch es zeigte eine gräßliche Szene. Gentle lag vor der untersten Stufe, und sein Kopf ruhte in Celestines Schoß. Das Laken war ihr von den Schultern gerutscht, und darunter kamen nackte Brüste zum Vorschein.
    Blut klebte dort, wo sie das Gesicht ihres Sohns an die eigene Haut gedrückt hatte.
    »Ist er tot?« wandte sich Judith an dem.
    Er schüttelte den Kopf. »Er klammert sich noch am Leben fest.«
    Sie brauchte nicht nach dem Grund dafür zu fragen. Die Eingangstür war offen - ihre gesplitterten Reste hingen schief in den Angeln -, und von einem fernen Kirchturm her erklangen die ersten Glockenschläge der Mitternacht.
    »Der Kreis ist vollständig«, sagte Jude.
    »Welcher Kreis?« erwiderte Clem.
    Sie gab keine Antwort - was spielte es für eine Rolle? Aber Celestine hob nun den Blick von Gentles Gesicht, und ihre Augen stellten Judith die gleiche Frage wie zuvor Clems Lippen. Daraufhin suchte sie nach möglichst einfachen Worten für eine Erklärung.
    »Imagica ist ein Kreis.«
    »Woher weißt du das?« erkundigte sich Clem.
    »Ich hab's von den Göttinnen erfahren.«
    Judith hatte jetzt fast die unterste Stufe erreicht und kam Mutter und Sohn dadurch ein ganzes Stück näher. Gentle klammerte sich tatsächlich am Leben fest, im wahrsten Sinne des Wortes: Seine Hände hatten sich um Celestines Arm geschlossen, und er sah zu ihr auf. Erst dann glitt sein Blick zu Jude, als sie sich auf die letzte Stufe sinken ließ.
    »Ich wußte es nicht«, brachte er hervor.
    Judith nickte und glaubte, daß seine Worte den Plan von Hapexamendios betrafen. »Zuerst wollte ich es selbst nicht glauben.«
    Gentle schüttelte den Kopf.
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    »Ich meine den Kreis...«, sagte er. »Ich wußte nicht, daß Imagica ein Kreis ist.«
    »Das Geheimnis der Göttinnen.«
    »Und Hapexamendios?« fragte Celestine sanft. Mattes Kerzenlicht tanzte über ihre Züge und schien sie dauernd zu verändern. »Weiß er das?«
    »Nein«, entgegnete Jude.
    »Wenn Er Feuer schickt...«, murmelte Celestine. »Es brennt sich durch den ganzen Kreis.«
    Judith musterte die Befreite und ahnte eine tiefere Bedeutung in ihren Worten, doch sie war zu erschöpft, um danach zu suchen. Die Frau ihr gegenüber blickte wieder auf den Sterbenden hinab.
    »Sohn?«
    »Ja, Mutter.«
    »Geh zu Ihm«, sagte Celestine. »Bring dein Selbst zur Ersten Domäne und begib dich dort zu deinem Vater.«
    Schon das Atmen schien für Gentle sehr mühevoll zu sein -
    geschweige denn eine Reise. Aber vielleicht konnte das Ich Dinge bewerkstelligen, zu denen der Körper nicht mehr

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