Imagica
Hinweis veranlagte den Nullianac, sich dem Willen des Maestros zu fügen. Er nickte mit einem Kopf, in dem Verderben und Tod lauerten.
»Begleite mich«, grollte er, stieg höher und wandte sich dabei von Gentle ab. »Aber wie du selbst gesagt hast: Die Zeit ist knapp. Sein Werk kann nicht lange warten.«
2
Es widerstrebte Judith, Celestine allein die Treppe hochsteigen zu lassen - immerhin wußte sie, was Gentles Mutter oben erwartete. Aber sie wußte auch, daß ihre eigene Präsenz Celestine jede Chance genommen hätte, ins Meditationszimmer zu gelangen. Deshalb blieb sie unten und lauschte angestrengt, um herauszufinden, was im Obergeschoß geschah. Zuerst vernahmen Jude und die anderen das warnende Knurren der Gek-a-gek, gefolgt von Sartoris Stimme: Wer hereinkäme, sei des Todes, betonte er. Celestine antwortete, doch sie sprach dabei so leise, daß die Horcher am unteren Ende der Treppe kein Wort verstanden. Als die Minuten 1267
verstrichen - waren es wirklich Minuten, oder handelte es sich nur um Sekunden, die neuerliche Gewalt ankündigten? -, konnte Judith der Versuchung nicht länger widerstehen. Sie löschte die Kerzen in ihrer Nähe, schlich zur Treppe und stieg so leise wie möglich die Stufen hoch.
Sie rechnete damit, daß die beiden anderen den Versuch unternehmen würden, sie aufzuhalten, aber sie waren viel zu sehr darauf konzentriert, sich um Gentles Körper zu kümmern.
Nur die eigene Vorsicht verlangsamte Judiths Schritte. Kurz daraufstellte sie fest: Celestine stand noch immer vor der Tür, aber die Oviaten versperrten ihr nicht mehr den Weg. Auf Sartoris Anweisung hin schoben sie sich beiseite, spannten dabei aber die Muskeln und warteten auf den Befehl zum Angriff. Inzwischen hatte Judith fast die Hälfte der Treppe hinter sich gebracht und hörte nun erste Gesprächsfetzen.
Sartoris Stimme war kaum mehr als ein rauhes Flüstern.
»Es ist vorbei, Mutter...«
»Ich weiß, Sohn«, erwiderte Celestine. Ihre Worte klangen nicht vorwurfsvoll, sondern schienen Frieden anzubieten.
» Er wird alles Leben vernichten...«
»Ja. Auch das ist mir klar.«
»Ich mußte den Kreis für Ihn stabil halten... Es entsprach Seinem Willen.«
»Und dir blieb keine andere Wahl, als Ihm zu gehorchen.
Das verstehe ich, Sohn. Glaub mir: Ich verstehe es wirklich.
Auch ich habe Ihm gedient, erinnerst du dich? Es ist kein großes Verbrechen.«
Diesen Silben des Verzeihens folgte ein Klicken, und die Tür des Meditationszimmers schwang auf. Judith war noch zu weit unten auf der Treppe, um mehr zu sehen als die Dachsparren -
sie zeigten sich in einem Licht, das entweder von einer Kerze stammte oder vom Ring aus Oviatensubstanz, den der ehemalige Autokrat auf dem Kopf getragen hatte. Durch die geöffnete Tür wurde seine Stimme deutlicher.
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»Kommst du herein?« fragte er Celestine.
»Möchtest du das?«
»Ja, Mutter. Laß uns zusammen auf das Ende warten.«
Dieser Wunsch erschien Judith vertraut. Offenbar scherte sich Sartori kaum darum, an wessen Brust er den Kopf lehnen konnte - ihm ging es nur darum, nicht allein zu sterben.
Celestine gab keine Zweifel zu erkennen, nahm die Einladung an und trat ein. Die Tür blieb offen, und die Gek-a-gek rührten sich nicht von der Stelle, sie verzichteten darauf, den Zugang erneut zu blockieren. Nach zwei oder drei Schritten geriet Celestine außer Sicht, und Judith spielte mit dem Gedanken, den Weg nach oben fortzusetzen, um zu beobachten, was in dem Raum passierte. Gleichzeitig fürchtete sie, daß die Oviaten aufmerksam wurden, wenn sie sich eine weitere Stufe nach oben wagte. Sie beschloß, der Vernunft den Vorrang zu geben und setzte sich, wartete zwischen den beiden Stockwerken des Hauses, zwischen Sartori im Meditationszimmer und dessen blutendem, sterbendem und vielleicht schon toten Bruder am unteren Ende der Treppe. Stumm lauschte sie der Stille des Gebäudes, der Straße, der ganzen Welt.
Die Worte eines Gebets hallten durch ihren mentalen Kosmos.
Göttin..., begann sie. Hier spricht Deine Schwester, Judith.
Feuer kommt, Göttin. E s hat mich fast erreicht, und ich habe Angst...
Oben flüsterte Sartori, so leise, daß Jude trotz der offenen Tür nichts verstand. Aber sie glaubte, das akustische Äquivalent zu hören, von dem Tränen begleitet wurden, und dadurch konnte sie sich nicht mehr auf das Gebet konzentrieren. Nun, es spielte keine Rolle: Sie hatte ihre Gefühle bereits deutlich genug zum Ausdruck gebracht.
Feuer kommt, Göttin. Es
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