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Imagon

Imagon

Titel: Imagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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ich Naunas Bedeutung des Wortes sequinnai falsch interpretiert. Vielleicht war sie gar keine Ausgestoßene, sondern eine Frau, die in dieser Einöde ihrer Berufung nachging; als Schamanin …
    Eines hatten Nauna und Talalinqua zumindest gemeinsam: Ihre Liebe zu großen Trommeln. Sicher war es in dieser Welt ein gängiges Ritual, Gäste mit Gesang willkommen zu heißen. Die Frau beobachtete mich dabei aufmerksam, als hoffe sie, dass ich in ihr Lied mit einstimmte. Ich beließ es bei einem freundlichen, rhythmischen Nicken. Domo arigato. Ob Nauna wohl ebenfalls Tag für Tag die Sonne anbetete?
    Während wir bis in den späten Abend hinein zusammensaßen und mit Händen und Füßen ›redeten‹, konnte es sich Nauna nicht verkneifen, immer wieder schüchtern über den Stoff meines Anoraks zu streichen. Sie wunderte sich, von welchem Tier das sonderbare Fell wohl stammen mochte, und versuchte von mir zu erfahren, ob es in der Aqunaki-Welt rote Eisbären und Robben gab. Der Reißverschluss der Schneejacke faszinierte sie dabei besonders. Ich musste ihn mindestens ein Dutzend Mal für sie auf- und zuziehen, aber sie tat sich schwer, das Prinzip der ineinandergreifenden Zähne zu verstehen. Im Laufe des Abends kam ich dahinter, dass es weniger die Funktionsweise des Verschlusses war, die es ihr angetan hatte, sondern das Metall, aus dem er bestand.
    Neolithikum … Die Menschen dieser Zeit kannten noch nicht einmal Bronze. Ihre Waffen und Werkzeuge bestanden aus Holz, Stein und Knochen. Alles Metallische, das ich bei mir trug, beeindruckte Nauna; vor allem der Talisman mit dem Kopf Sedmeluqs. Aus einem Impuls heraus gab ich ihr meine Armbanduhr. Weiß Gott, ob ich das gute Stück jemals wieder brauchen würde. Nauna quittierte das Geschenk mit verlegenem Schweigen, doch so ganz geheuer war ihr das glänzende Ding an ihrem Handgelenk nicht. Dass sie allerdings ihre Scheu vor mir verloren hatte, bewies sie dadurch, dass sie mir, der ich mein Gähnen kaum noch unterdrücken konnte, anstandslos einen provisorischen Schlafplatz aus Fellen herrichtete. Das urtümliche Lager erschien mir nach meiner Übernachtung am Fluss wie ein Himmelbett in einem Luxushotel. Ehe wir uns zur Ruhe legten, bestand Nauna noch darauf, mein verletztes Knie zu versorgen. Ich bin kein großer Freund von Naturheilkunde, doch in diesem Fall sorgten die von ihr verwendeten Pflanzen-Essenzen bereits nach kurzer Zeit für eine Linderung meines Schmerzes.
    Spät in der Nacht hörte ich Nauna noch einmal aufstehen und durch das Zelt auf mich zukriechen. Mein Herzschlag beschleunigte sich, als ich ihre unmittelbare Nähe spürte, wobei ich versuchte, mich weiter schlafend zu stellen. Dann vernahm ich ein leises Rascheln, als sie nach meinen Anorak griff und ihn vorsichtig von mir wegzog. Ihr Atem war dabei hektisch gedämpft, während mein Herz durch meine Rippen und die Felle langsam eine Mulde in den Boden zu klopfen drohte.
    Nachdem Nauna sich leise zurückgezogen hatte, konnte ich die folgenden Geräusche zuerst nicht zuordnen – was meine Fantasie nicht daran hinderte, sie in aufreizende Bilder umzusetzen: Eine sich langsam aus ihrer primitiven Kleidung schälende Frau, die bald splitternackt neben meinem Schlaflager kniete und darauf wartete, eine auffordernde Hand gereicht zu bekommen …
    Stoff glitt über nackte Haut, begleitet von erregtem Atmen. Ich öffnete die Augen, starrte auf die Finsternis, die eine Zeltwand war. Dann drehte ich unmerklich langsam den Kopf, um Nauna anzusehen.
    Sie stand – tatsächlich hüllenlos – in der Mitte des Zeltes, umgeben von ihrer wahllos über den Boden verstreuten Kleidung. Der Schein der glimmenden Feuerstelle beleuchtete ihren stämmigen, aber wohlgeformten Körper von der Seite, ein Licht- und Schattenspiel in Schwarz und Bernstein. Doch ihre Aufmerksamkeit galt nicht mir, der ich innerlich bebend im Schatten der Zeltwand lag, sondern meinem Anorak. Nauna hatte mir den Rücken zugewandt und schien meinen auf ihr ruhenden Blick nicht zu spüren. Behutsam schob sie mit ungewollter, aus Angst resultierender Anmut zuerst ihre rechte Hand in den rechten Ärmel, zog sich den viel zu großen Anorak, wie sie es bei mir beobachtet haben musste, über die Schultern und schlüpfte schließlich ganz in ihn hinein. Dann stand sie minutenlang bewegungslos im Zelt, als befürchte sie, das fremdartige Kleidungsstück könne ihre Freveltat strafen.
    Als nichts geschah, begann Nauna sich wieder zu regen. Sie drückte den

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