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Imagon

Imagon

Titel: Imagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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eine Folge intensiver, schmerzhaft heißer Hitzeschübe aus, die als grelle Lichtblitze seinen Körper aufglühen ließen und sogar mir die Haut versengten. Broberg schrie so laut es seine verätzte Kehle erlaubte, DeFries barg sein Gesicht in seiner Kleidung. Um uns herum herrschte für Sekunden ein Inferno aus wirbelnden Eissplittern, Hitze und ohrenbetäubendem Lärm.
    Der Shoggothe glitt langsam rückwärts, wobei er sich um sich selbst zu winden begann und bemüht war, die krankhaften Körperpartien abzustoßen – doch kaum hatte er es getan, krochen die schwarzen Gallertschatten wieder heran und wurden eins mit ihm. Die Qualen des Verfalls- und Vereinigungsprozesses mussten dem Geschöpf unbeschreibliche Schmerzen bereiten.
    Eine Hand krallte sich um mein Hosenbein und riss mich fast zu Boden.
    »Lassen Sie mich hier nicht zurück«, krächzte Broberg, wobei er flehend zu mir empor sah. »Nicht allein …«
    Ohne lange zu überlegen, ergriff ich ihn, um ihn zu tragen, doch sein Schmerzensschrei belehrte mich eines Besseren. Der Schock der Verbrennungen war vorüber, und Brobergs Körper hatte einen Großteil des Adrenalins wieder abgebaut. Ohne eine hohe Dosis Morphium mochten seine Schmerzen den Qualen des Shoggothen kaum nachstehen.
    »Was soll ich tun?«, fragte ich hilflos.
    Broberg musste mehrmals ansetzen, um zu sprechen. »Bringen Sie sich in Sicherheit.«
    Ich streifte mir den Pullover über und kniete neben Broberg nieder. »Es gibt keinen Ort mehr, an dem wir sicher sind«, erklärte ich. »Die Treppe ist zerstört, die Station womöglich auch. Ich kann Sie nicht tragen, ohne Ihnen Schmerzen zuzufügen. Was – was soll ich denn tun?«
    Broberg schloss die Augen. Seine Hand ergriff die meine und führte sie unter seine halbverbrannte Jacke, bis ich die harte Form einer Pistole unter meinen Fingern spürte. Ich riss die Hand zurück und sah Broberg entsetzt an, doch er fasste nach und hielt mein Handgelenk fest umklammert. Ich sah, wie DeFries zögernd näher kam und rief ihm zu, an Ort und Stelle zu bleiben. Der Shoggothe hatte sich in Richtung Kratermitte zurückgezogen und damit begonnen, in die lichtlose Tiefe zurückzuschlüpfen, aus der er gekommen war. Seine Bewegungen waren ermattet, doch ob es das Tageslicht war, das ihm zusetzte, oder seine Verletzungen ihn schwächten, war nicht ersichtlich.
    »Bitte …«, flüsterte Broberg. »Tun Sie es. Ich bin doch schon so gut wie tot. In diesem Zustand wäre ich Ihnen nur ein Klotz am Bein. Danke, dass Sie versucht haben, mich zu retten. Vielleicht wäre es besser gewesen, Sie hätten mich drin gelassen …« Seine Hand zwang mich, die Pistole aus seiner Jacke zu ziehen.
    Ich starrte ihn an, suchte irgendetwas in seinem Blick, das mir sagte: Du musst das nicht tun. Doch alles, was ich erkannte, war: Ich will es so!
    Broberg ergriff den Lauf der Pistole und zwang die Mündung an seine Stirn. »Ich habe mich nicht in Ihnen getäuscht, Poul. Falls es einen Weg geben sollte, diese Kreatur aufzuhalten …« Er lächelte verunglückt. »Einen Weg, den einer wie ich nicht begreift – dann gehen Sie ihn!« Er schloss die Augen und flüsterte: »Gehen Sie ihn für mich. Credo quia absurdum …«
    Ich sah zu DeFries, der wie versteinert dastand und zu uns herüberstarrte, dann drückte ich ab. Das Gefühl, das mich in der gleichen Sekunde überkam, war, als hätte ich mir selbst in den Kopf geschossen. Ich erhob mich und vermied es dabei, noch einmal in Brobergs Gesicht zu schauen. Die Waffe kraftlos in der Hand haltend und den Blick krampfhaft geradeaus gerichtet, ging ich davon. Ich schritt an DeFries vorbei, ohne ein Wort mit ihm zu wechseln, schenkte ihm nur einen auffordernden Blick. Die eisige Kälte, die ich dabei fühlte, kam aus meinem Innersten.

 
22
     
     
    Der Tempel und seine Umgebung waren ein einziges Trümmerfeld. Tiefe Krater klafften vor dem Gebäude, wo die Felsbrocken die Decken der Eishallen durchschlagen und sich teilweise über mehrere Stockwerke in die Tiefe gebohrt hatten. Auch der Container neben dem Komplex war erheblich in Mitleidenschaft gezogen worden. Der Generator, der Kompressor und der Heißwassertank waren vollkommen zerstört. Es stank nach Maschinenöl und ausgelaufenem Dieseltreibstoff. Dass keiner der niedergestürzten Felsbrocken beim Einschlag den alles entzündenden Funken geschlagen hatte, grenzte fast an ein Wunder.
    Nachdem wir einen Blick hinab in die Eishallen geworfen hatten, um das Ausmaß des Schadens

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