Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)
Beerdigung.«
Keine Ahnung, wovon sie redete. Ich wusste jetzt, wie ich am besten verschwinden konnte. War noch nicht einmal besonders kompliziert. Es durfte mir nur keiner dazwischenkommen.
»Ich geb’s auf«, sagte Sissi und beugte sich, so weit es der Sicherheitsgurt erlaubte, nach vorn, um mit Jan und Mama zu plaudern.
Das war meine Chance, unauffällig das Blackberry hervorzuholen und eine Nachricht an meinen Headhunter zu schicken: »Bin morgen Abend wieder in München. Nehme das Angebot an. Am Montag kann ich den Vertrag unterzeichnen.«
Schon abgeschickt.
Die Würfel waren gefallen.
Es gab kein Zurück mehr. Mit den Lüttjens hatte ich nichts mehr zu schaffen.
Mit einer Ausnahme.
Kaum stiegen wir zu Hause aus dem Auto, als auch schon eine verzweifelte Marie auf mich zukam.
»Kann ich dich einen Moment sprechen?«
Mist!
Der Grabstein!
Hatte ich völlig vergessen.
Das musste noch erledigt werden, sonst würde ich nicht mit gutem Gewissen verschwinden können.
»Nele ist ein bisschen erschöpft«, griff Mama ein. »Sie möchte sich vielleicht hinlegen.«
»Nein«, sagte ich schnell. »Komm, Marie, wir machen es uns auf der Hollywoodschaukel gemütlich.«
Die anderen verschwanden im Haus.
Sanft pendelten wir hin und her, während die Abendsonne ihre warmen Strahlen nach uns ausstreckte.
Es war das letzte Mal, dass ich hier so sitzen würde, das letzte Mal, dass ich mit Marie in vollkommener Eintracht schweigen konnte.
Reden war nicht nötig. Ich wusste ja, was ihr auf dem Herzen lag. Aufmerksam betrachtete ich sie von der Seite. Während Grete in diesen Tagen geradezu aufgeblüht war, wirkte Marie noch zarter als sonst, geradezu durchscheinend. Ganz so, als ob die eine Schwester der anderen alle Kraft nahm.
»Solange wir ihn nicht vergessen, ist er nicht fort«, sagte ich leise.
Dann ließ ich sie allein und machte mich auf die Suche nach Grete. Weit musste ich nicht gehen. Sie deckte in der Küche den Abendbrottisch, während die anderen sich offenbar noch kurz frisch machten.
Passte mir gut in den Kram.
Als ich hereinkam, würgte sie gerade Heino ab. Sie hatte wohl gedacht, Marie käme zurück. Eigentlich mochte Grete den Schlagersänger auch, aber um ihre Schwester zu ärgern, verzichtete sie gern auf seine Musik.
»Ich muss mal mit dir reden«, sagte ich.
Grete schaute mich unfreundlich an. »Hast du wieder was liegen gelassen?«
Ja, mich selbst.
»Nein.«
»Dann ist ja gut. Was gibt es?« Sie begann, dicke Scheiben Bauernbrot abzuschneiden.
Auf dem Tisch stand bereits ein Teller mit Schweinskopfsülze.
Mein Magen revoltierte. Offenbar hatte ich mit meiner Identität auch meinen Appetit eingebüßt.
Da ich nicht wusste, wie ich das Thema diplomatisch anschneiden sollte, platzte ich heraus: »Ein Grabstein aus schwarzem Carrara-Marmor geht gar nicht! Das kannst du Opa nicht antun!«
Grete wirbelte erstaunlich flink herum und fuchtelte mir mit dem Brotmesser unter der Nase herum.
Ich stellte fest, dass ich trotz allem an meinem Leben hing, und wich zurück.
»Was geht dich das an?«
Nichts, wollte ich erwidern. Ich bin ja gar keine Lüttjens. Tschüs dann.
Aber ich dachte an Marie und erwiderte: »Opa war ein durch und durch bescheidener Mensch. Das weißt du genau. Er hätte das nicht gewollt.«
»So.«
Nur dieses eine Wörtchen, das alles Mögliche sagen konnte, während das Brotmesser immer noch die Luft zerteilte. Dann tat Grete etwas Unerwartetes: Sie fing an zu kichern. Aus dem Kichern wurde ein Lachen. Das Brotmesser landete zu meiner Erleichterung auf dem Tisch, weil Grete die Hände freihaben musste. Sie riss ein Stück von der geblümten Küchenrolle ab und wischte sich die Lachtränen weg.
»Hat sie es wirklich geglaubt?«, fragte sie glucksend.
Ich begriff, dass sie Marie einen bösen Streich gespielt hatte.
Und diese Frau hatte sich über Opas verschwundene Asche aufgeregt!
»Auch das mit der goldenen Inschrift?«, fragte mich Grete.
Ich nickte. Mitlachen mochte ich nicht. Fand es nicht besonders lustig.
Grete beruhigte sich wieder. »Ich war wirklich versucht, so ein Teil zu bestellen. Nur um Maries Gesicht zu sehen. Wäre aber viel zu teuer geworden. Ich hab natürlich einen kleinen Findling genommen.«
Erleichtert atmete ich auf. Letztlich hatte die Sparsamkeit der Landfrauen unseren Opa vor einem protzigen Grabstein bewahrt.
Unseren Opa?
Falsch.
Meiner nicht.
Da ich schon mal dabei war, sprach ich gleich noch einen zweiten Punkt an.
Grete
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