Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)
stieß ein Schnauben aus, hob dann die Schultern und brummte: »Die kann von mir aus machen, was sie will. Ich werde sie nicht davon abhalten.«
Na also, ging doch.
Sissi und Jan kamen zum Essen herein, gleich darauf erschienen auch meine Eltern.
Adoptiveltern.
Oder so etwas in der Art.
Papa schien noch nichts zu ahnen. Er wirkte nur froh, dass seine Frau wieder da war.
Ich konnte nichts essen, keinen Krümel.
»Marie ist noch draußen. Ich gehe sie schnell holen.«
»Kann sich meine Schwester etwa nicht mehr allein herbequemen?«, erkundigte sich Grete.
Sollte sie schimpfen. Mir doch egal.
Als ich Marie aus der Hollywoodschaukel half, erklärte ich ihr die Sache mit dem Grabstein in leicht abgewandelter Form. Sie musste nicht wissen, dass sie einem Streich zum Opfer gefallen war. So sagte ich nur, das Problem sei erledigt, Opa bekomme einen Findling.
»Und zur Beerdigung gehst du natürlich mit. Ich hab das noch mal geklärt. Das war nur eine leere Drohung neulich. Sie könnte dich auch gar nicht daran hindern.«
»Nein.« Es klang entschlossen. »Ich wäre mit oder ohne ihre Erlaubnis gegangen. Ich lasse mir doch nicht alles von ihr gefallen.«
»Richtig so.«
»Und vorher sterben werde ich auch nicht. Den Gefallen tue ich ihr nicht. Da müsste sie mich schon ermorden.«
Ich dachte an das Brotmesser und schwieg.
Marie reckte sich und nahm mich in die Arme.
»Danke, liebe Nele. Vielen, vielen Dank. Ich hab dich lieb.«
»Ich dich auch«, murmelte ich.
Dann machte ich mich schnell los und ging in Richtung Stall.
»Kommst du nicht zum Essen?«, rief Marie mir nach.
»Ich … habe keinen Hunger.«
»Na gut, ich heb dir was auf.«
So wie früher, dachte ich.
Nur würde ich auch später nichts essen. Mir war schlecht. Außerdem galt es, meine Flucht vorzubereiten.
22.
Eine Flucht, ein Unfall, eine Entscheidung
Eine Stunde später klopfte es an meiner Zimmertür. Ich schaffte es gerade noch, meinen Koffer unter das Bett zu schieben, bevor Sissi hereinkam.
»Störe ich?«
»Nein, komm nur.«
Ich wäre lieber allein geblieben.
Sissi stellte ein Tablett mit Brot, Butter, Sülze und Tee auf meinem alten Schreibtisch ab. »Das schickt dir deine Großtante Marie. Oder soll ich Oma Marie sagen? Oder … äh …?«
»Davon weißt du auch schon?«
»Jan«, sagte Sissi nur.
Alles klar.
»Er kommt auch gleich. Er sagt, er hat noch eine Flasche Ferrari. Die bringt er mit.«
Die dritte Flasche für den absoluten Notfall.
Das passte.
Sissi musterte mich lange und prüfend. »Willst du reden?«
Ich schüttelte den Kopf. Wenn ich den Mund aufmachte, würde ich ihr womöglich verraten, was ich vorhatte. Wie gesagt, ich bin keine begnadete Lügnerin.
Einerseits hätte ich meine beste Freundin gern ins Vertrauen gezogen, andererseits fürchtete ich, sie könnte mich mit guten Argumenten von meinem Plan abhalten. Mir fielen ja selbst schon genügend gute Argumente ein, gegen die ich ankämpfen musste. So war es zum Beispiel unverzeihlich, Opa nicht die letzte Ehre zu erweisen, und meine Familie hatte sicherlich auch etwas anderes verdient als dieses grußlose Verschwinden. Ich glaubte jedoch, dass ich gehen musste. Noch heute Abend. Es fühlte sich zwar nicht hundertprozentig richtig an, aber da sich sowieso gar nichts mehr richtig anfühlte, war mir das egal.
Sissi zeigte auf das Tablett. »Essen?«
»Bloß nicht. Mir ist schon schlecht.«
»Etwas Tee?«
»Igitt.«
»Dir geht es gar nicht gut, stimmt’s?«
»Erraten.«
»Ach, komm schon, Nele. Nimm’s nicht so schwer. Immerhin hast du noch Glück gehabt.«
Glück?
Ich?
Wie bitte?
»Deine leibliche Mutter hätte dich auch vor dem Küpperhof ablegen können. Dann wäre Karl dein Bruder gewesen, und du hättest dich nie in ihn verlieben dürfen.«
Boah!
Diese Variante musste einem erst mal einfallen.
Sissi kam so richtig in Fahrt. »Stell dir das nur vor. Du hättest dich natürlich trotzdem in ihn verliebt, und dann hätte es einen fetten Skandal gegeben.«
»Ja, klar. Ich hätte mich im zarten Alter von siebzehn im Baggersee ertränkt.«
»Zum Beispiel.«
»Hör auf, Sissi!«
Sie grinste, und fast hätte ich zurückgegrinst. Obwohl selbst eher praktisch veranlagt, liebte Sissi bunte Bollywoodfilme und witterte schon in jeder stinknormalen Beziehung dramatische Verwicklungen. Angesichts meiner Geschichte lief sie jetzt zur Höchstform auf. »Das Findelkind und der Landwirt. Die große romantische verbotene Liebe. Wahnsinn!«
Ich sah
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