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Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)

Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)

Titel: Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Kanitz
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mich schon im Flittergewand zu einer indischen Liebesweise mit Karl durch den Kuhstall tanzen. Paul könnte auf einem Kriegselefanten hinzukommen und gegen Karl um mich kämpfen. Und draußen schwangen die Landfrauen ihre Hüften.
    Na ja.
    Jan trat ein. Offenbar hatte er einen Teil unseres Gesprächs mit angehört. »Wenn schon ertränken, dann in Ferrari. Ach-tung!« Der Korken knallte genau gegen die Ikea-Uhr. Die blieb prompt stehen.
    Ich starrte auf die dicken schwarzen Zeiger und stellte mir vor, wie diese Uhr mit immer gleicher Zeigerstellung hier hängen blieb. In einem Zimmer, in dem nichts verändert wurde. Und Besucher bekamen dann zu hören: »Das ist an dem Abend passiert, an dem unsere über alles geliebte Tochter Nele verschwunden ist. Kurz vorher blieb auf geheimnisvolle Weise die Uhr stehen.«
    Und alle würden ein paar Tränen verdrücken angesichts dieser Tragödie. Nur Sissi, falls sie gerade dabei war, würde mit ihrem Sinn fürs Wesentliche einwerfen: »Wahrscheinlich sind sowieso gerade die Batterien leer gewesen.«
    Ich schniefte.
    »Nicht heulen, trinken«, kommandierte Jan und hielt mir ein volles Glas hin.
    Ich trank. Ging runter wie nix, der Ferrari. Wir lümmelten zu dritt auf meinem Bett.
    Jan schenkte nach. Ich kippte noch ein Glas, und gleich noch eins. Für die anderen beiden blieb nicht ganz so viel übrig. Egal. Ich brauchte das jetzt.
    Hätte aber lieber nicht so viel trinken sollen. Vor allem nicht auf leeren Magen. Wäre besser nüchtern geblieben bei dem, was ich noch vorhatte. Das konnte leicht in einer Katastrophe enden.
    »Willst du mich betrunken machen?«
    Jan zwinkerte mir zu. »Dann schläfst du wenigstens gut und vergisst den ganzen Mist für ein paar Stunden.«
    »Aber morgen früh weiß sie wieder alles«, warf Sissi ein.
    Danke.
    Sehr hilfreich.
    »Ich bin wirklich müde«, sagte ich und gähnte herzhaft.
    Das stimmte auch. Es war eine Art bleierne Müdigkeit, wie sie nur nach einer besonders rasanten seelischen Achterbahnfahrt auftreten kann.
    Sissi und Jan wechselten einen Blick.
    »Dann lassen wir dich schlafen«, entschied Sissi.
    »Ciao, Kröte, bis morgen in alter Frische.«
    Ich schwieg.
    Jan würde mir fehlen. Als Einziger von der ganzen Sippe. Er war ja auch der Einzige, der wie ich von nichts eine Ahnung gehabt hatte. Der mich nicht ein Leben lang getäuscht hatte.
    Erst gegen elf Uhr kehrte endlich Ruhe ein auf dem Hof. Mama und Papa waren die Letzten, die hochkamen. Sie hatten offenbar noch viel zu bereden gehabt. Über Mamas Doppelleben zum Beispiel. Wahrscheinlich hatte Mama auch erzählt, dass sie endlich mit der Wahrheit rausgerückt war. Ich hörte jedenfalls, wie Papas Schritte auf dem Weg ins Elternschlafzimmer vor meiner Tür verharrten.
    »Sie schläft längst«, flüsterte Mama. »Du kannst morgen mit ihr reden.«
    Papa schien zu zögern, und sekundenlang wünschte ich mir, er würde nicht auf Mama hören, sondern hereinkommen, mich in den Arm nehmen, mich ganz fest halten und trösten.
    Der Moment verstrich. Papa ging weiter.
    Ich war enttäuscht.
    Und erleichtert.
    Eine halbe Stunde wartete ich noch ab, dann holte ich meinen Koffer unter dem Bett hervor und schlich die Treppe hinunter. Ich bildete mir ein, wieder nüchtern zu sein, aber der Prosecco hatte dazu seine eigene Meinung. Auf der vorletzten Stufe geriet ich ins Stolpern und musste mich am Geländer festhalten, um nicht zu fallen. Der Koffer entglitt mir und landete laut polternd in der Diele. Einige Minuten lang hielt ich den Atem an. Als alles still blieb, ging ich weiter.
    Mein Plan war denkbar einfach: mit dem Auto nach München fahren, und zwar mit Papas Mercedes. Mamas Cabrio war in Hamburg geblieben, Jans Auto schied aus, weil mein Bruder seinen Schlüssel immer bei sich hatte. Papa dagegen bewahrte den Autoschlüssel in der Innentasche seiner Weste auf, und die hing an der Garderobe. In München angekommen würde ich schon eine Möglichkeit finden, den Wagen zurückzuschicken.
    Ich schnappte mir den Schlüssel, verließ das Haus und ging auf den Wagen zu. Nachdem ich den Koffer auf die Rückbank gestellt hatte, überlegte ich, den Wagen ein Stück vom Hof zu schieben, bevor ich den Motor anließ.
    Wäre bloß über meine Kräfte gegangen.
    Also drehte ich mit zusammengebissenen Zähnen den Schlüssel im Zündschloss, dankte dem Motor, weil er so leise ansprang, und fuhr los.
    Erst als ich schon auf der Landstraße in Richtung Autobahn unterwegs war, fiel die Anspannung von mir

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