Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)
warten. Auf seine Heimkehr aus der Kanzlei, auf das Ende der Schwangerschaft, auf den ersten Milchzahn.
Nur, dass es ein süßes Warten wäre, ein glückliches Warten.
Shit! Schon wieder diese Stimme.
Ich war Grete dankbar, dass sie genau jetzt mit dem Schweigen fertig war.
»Auch wenn Olaf dableibt und Heidi zur Besinnung kommt, brauchen wir dich auf dem Hof. Marie und ich sind nicht mehr die Jüngsten. Sollen wir etwa mit hundert noch von früh bis spät schuften? Haben wir uns nicht auch einen ruhigen Lebensabend verdient?«
Sie nahm sich ein Stück Butterkuchen und biss herzhaft hinein. Alt und gebrechlich wirkte sie nun wirklich nicht. Marie auch nicht mehr so arg wie gestern.
Dennoch fühlte ich mich plötzlich wie eine egoistische, undankbare und gewissenlose Tochter und Enkeltochter.
Genauso wie Grete es bezweckt hatte. Und sie setzte noch eins drauf. »Opa Hermann hat sich immer gewünscht, dass du heimkommst. Erst dann kehren auch die Störche zu uns zurück, hat er gesagt.«
Mann! Immer diese blöden Störche!
»Ich brauche auch mal frische Luft«, sagte ich und stand auf.
Ohne nach rechts oder links zu schauen, durchquerte ich den Saal und stürmte durch die Hintertür in den kleinen Garten.
Hätte mich mal lieber doch umgeschaut. Zu spät. Nun lag ich schon in Pauls Armen.
Wenn es wirklich einen Gott der Liebe gab, dann hatte der beschlossen, uns mit Gewalt zusammenzubringen.
Zedernduft. Kanadischer Himmel.
Wie hatte ich das vermisst!
Das laut klopfende Herz unter seinem gestärkten Hemd. Seine Hände, die mich hielten, sein Atem auf meinem Haar.
Nur den Kopf heben, ihm in die Augen schauen, auf seinen Kuss warten.
Warten? Schon wieder?
Ja, aber ein süßes Warten.
»He, was soll das?« Pamelas Stimme drängte sich zwischen uns. »Was machst du mit Paul?«
»Ich? Gar nichts. Ich bin bloß gestolpert.«
Pamela verschränkte die Arme vor ihrem tiefen Ausschnitt, Anke stand neben ihr. »Ach, so nennt man das heute. Bei uns heißt das immer noch Kerl wegschnappen.«
Paul Liebling räusperte sich.
»Frau Lüttjens und ich kennen uns bereits. Ich war der Anwalt ihres Großvaters.«
»Äh …«
»Und wenn Sie uns jetzt bitte entschuldigen würden, Frau Hansen, wir hätten noch etwas zu besprechen.«
»Klar doch«, murmelte Pamela und verschwand im Lokal, Anke ganz dicht hinter ihr.
25.
Rechtsanwälte küsst man nicht!
Paul rückte von mir ab.
Was auch sonst.
Na gut. Dann konnte ich auch gleich für immer beenden, was nie wirklich begonnen hatte.
»Nur, dass Sie es wissen: Mich hat der Klapperstorch gebracht.«
»Verzeihung?«
Der war aber schwer von Begriff.
Ich sammelte mich. »Die Familie Lüttjens hat mich aufgenommen und als eigene Tochter großgezogen. In Wahrheit bin ich ein Findelkind. Ich lag eines Morgens auf ihrer Türschwelle, kurz nachdem ein Storchenpaar ins Nest auf dem Dach zurückgekehrt war. Opa Hermann hat mich gefunden. Meine leiblichen Eltern kenne ich nicht.«
»Verstehe.«
An seiner Miene war nichts abzulesen.
Mir kam ein Verdacht. »Sie haben das schon gewusst?«
Paul schüttelte den Kopf. »Nein. Davon hat Ihr Großvater nie gesprochen.«
»Nun wissen Sie es. Sie können mir jetzt den Brief geben und mich dann allein lassen.«
»Wie Sie wünschen.«
Shit! Wie konnte man nur so förmlich miteinander umgehen, wenn man sich in Wahrheit nur küssen wollte? Ich ihn jedenfalls! Kurzfristig wünschte ich mich zurück in die Zeiten der Höhlenmenschen. Da hatte man nicht so viel Wert auf Umgangsformen gelegt. Frau an den Haaren herbeischleifen und ran an den Speck.
Na ja, viel Speck war an mir nicht dran.
Paul griff in die Innentasche seines Jacketts und förderte einen schlichten weißen Umschlag zutage.
»Bitte.«
»Danke.«
Küss mich.
»Haben Sie etwas gesagt?«
Oh Gott! Hatte ich?
»Nein.«
»Das wäre also erledigt«, sagte er. »Wir sehen uns dann am Montag. Die Testamentseröffnung ist um elf Uhr in meiner Kanzlei.«
»Ich werde nicht da sein.«
Paul hob die Augenbrauen. »Nein? Aber Ihre Anwesenheit ist zwingend erforderlich.«
»Wozu denn? Ich kann doch meinem Bruder eine Vollmacht geben.«
»Sie erben die Hälfte des Lüttjenshofes.«
Eine Bombe schlug ein.
Mit lautem Knall.
Direkt in meinem Kopf.
»Wie bitte?«, krächzte ich.
Paul lief rot an. Vollkommen unmännlich, aber süß. Ich war bloß grad nicht in der Stimmung für romantische Beobachtungen.
Ich sollte die Hälfte des Hofes erben? Die abtrünnige Nele, die sich
Weitere Kostenlose Bücher