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Immer diese Gespenster

Immer diese Gespenster

Titel: Immer diese Gespenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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lange weiße, mit dicken Silberfäden durchwirkte Stola aus italienischer Seide. Er nahm sie über den Arm und machte sich auf den Rückweg, diesmal durch die Gesellschaftsräume im Ostflügel, wobei er in den Wintergarten gelangte. Er hatte ihn bereits zur Hälfte durchquert, als der Schreckensschrei einer weiblichen Stimme ihn aufhielt. Er blickte verwundert durch die angelehnte Fensterscheibe auf den Rasen hinaus, wo sich ihm ein unheimlicher Anblick bot. Es erweckte ganz den Anschein, als wären die normalen, vernünftigen Leute, die er noch wenige Minuten zuvor plaudern, rauchen und Kaffee trinken gesehen hatte, plötzlich verrückt geworden.
    Hero hatte das peinliche Gefühl, die Ursache ihres seltsamen Gebarens zu sein, denn alles starrte ihn mit offenem Mund und entsetztem Gesicht an und deutete mit den Fingern auf ihn.
    Tische und Stühle waren umgeworfen, und die Leute standen wie versteinert da. Er konnte nicht verstehen, was sie so daran erschreckte, daß er mit Mrs. Taylors Stola über dem Arm durch den Wintergarten ging.
    Mrs. Wilson und ihr Mann hatten sich erhoben; die schöne Blondine hielt die Hände an die Wangen und schrie hysterisch. Die drei Männer - Paulson, Ellison und Jellicot — waren in wunderlichen Stellungen erstarrt und erinnerten an Gestalten in einem Film, den man mitten in einer Bewegung unterbrochen hat. Lady Paradine hielt ihren Mann umschlungen und preßte den Kopf an seine Brust; Lord Paradines vorstehende Augen sahen aus, als würden sie ihm im nächsten Moment aus dem Kopf fallen. Seine Lippen bewegten sich, aber Hero konnte kein Wort verstehen. Mark Paradine hatte den Arm um Susans Schultern gelegt, und ihr sonst so ruhiges und beherrschtes Gesicht drückte unbeschreibliche Angst aus. Beth und Sir Richard streckten die Arme nacheinander aus, doch ihre Glieder schienen den Dienst zu versagen. Nur Isobel war sitzen geblieben, als hätte sie nicht mehr die Kraft, sich zu erheben.
    Hero dachte zuerst: Doch er wußte, daß das nicht möglich war, und fragte sich, ob vielleicht er nicht ganz bei Sinnen sei.
    Er suchte und fand Meg, die sich bestimmt nicht so leicht ins Bockshorn jagen ließ. Zu seinem Schrecken schien sie am meisten Angst von allen zu haben. Die dicke Mrs. Taylor neben ihr zitterte und zeigte mit dem Finger auf ihn. Doch Meg schien noch weiteres Unheil zu erwarten, denn ihre Lippen formten Worte, und sie machte Anstrengungen, ihn zu erreichen.
    Um den bösen Zauber zu brechen, der alle gefangenzuhalten schien, und festzustellen, was sie an ihm so erschrecken mochte, drehte Hero sich rasch um, konnte aber nichts Ungewöhnliches entdecken. Außer den Pflanzen in den Töpfen und dem hängenden Efeu befand sich kein Lebewesen im Wintergarten. Dicht an der Wand brannte die einzelne Lampe und beleuchtete ihn und seine Umgebung. Er war ganz allein, das stand fest.
    Die Situation war aber vielleicht ganz anders aufzufassen. Man konnte den Wintergarten als eine Art Bühne betrachten, auf der er ein Ein-Mann-Schauspiel aufführte. Eine verglaste Bühne, deren Rampenlichter die Laternen am Schutzgeländer des Grabens bildeten, während der Graben selber die Orchesterversenkung darstellte. Dahinter befand sich das Publikum, das den Auftritt eines einzelnen Mannes, der ein leeres Zimmer durchquerte, als etwas Grausiges und Unheimliches empfand.
    Dann löste sich die Starre, und es kam Leben in die Gesellschaft. Hero sah etwas in der Hand des Majors aufblitzen und hörte Meg ausrufen: «Sandro! Paß auf!» Gleichzeitig stürzte sie auf den Major zu. Hero hatte eben noch Zeit, sich bäuchlings auf den Boden zu werfen, bevor der Pistolenschuß Megs Warnung folgte. Das Geschoß zerschmetterte die schräg stehende Wand.
    Hero wartete einige Sekunden, erhob sich dann und klopfte den Glasstaub von seinem Anzug. Alles war mit Glassplittern übersät, und die Scheibe trennte ihn nicht mehr von den Zuschauern. Diese hatten sich auch verwandelt, denn sie starrten ihn zwar immer noch an, aber jetzt war die Angst von ihren Gesichtern verschwunden.
    Hero trat durch die Fensteröffnung ins Freie und kam sich dabei vor wie ein Schauspieler, der an die Rampe tritt, um den Applaus entgegenzunehmen. Eine Frau sprang über den Graben und warf sich an seine Brust, indem sie sich schluchzend an ihm festklammerte und rief: «Sandro, Sandro — du lebst!» Es war Meg.
    Da Meg sonst nicht zu derart dramatischen und theatralischen

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