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Immer diese Gespenster

Immer diese Gespenster

Titel: Immer diese Gespenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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Spendley-Carter trat zögernd hinter dem Baum hervor. Sie trug eine gelbbraune Kordhose und einen gleichfarbigen Pullover. Das dunkle Haar fiel ihr strähnig auf die Schultern, und ihr gelbliches, sommersprossiges Gesicht, das jetzt ungeschminkt war, wirkte wie aus Lehm. Sie kam langsam näher und betrachtete bewundernd den Bentley; dann streckte sie ihre schmutzige Hand aus, berührte die glänzende Oberfläche des Wagens mit erstaunlicher Zärtlichkeit und streichelte die kleine silberne Kühlerfigur, die Sambo, Heros Hauskatze, darstellte.
    «Darf ich mich mal einen Augenblick hineinsetzen?» bettelte sie.
    «Aber natürlich, komm nur», antwortete Hero und öffnete die Tür auf der andern Seite. Sie rekelte sieb genießerisch und schnurrte wie ein junges Kätzchen.
    «Oh, wunderbar», sagte sie, «wie im Traum.»
    «Pst», flüsterte Hero, «dann mußt du versuchen, nicht aufzuwachen.»
    Sie setzte sich auf und blickte ihn neugierig an. «Ach, kennen Sie das auch?» sagte sie. «Manchmal mitten im schönsten Traum weiß ich ganz genau, daß ich träume, und gebe mir die größte Mühe, nicht aufzuwachen.»
    «Was träumst du denn?» fragte Hero.
    «Alles mögliche», antwortete sie zurückhaltend. Dann fuhr sie halb für sich fort: «Manchmal bin ich Krankenschwester in einem Spital und trage eine gestärkte Uniform und Haube und habe ein Fieberthermometer in der Hand.»
    «Das ist ein hübscher Traum», sagte Hero.
    Das Mädchen blickte ihm voll ins Gesicht. Ihre dunklen Augen schielten ein wenig und harmonierten nicht mit der Haarfarbe, aber Hero entdeckte etwas Rührendes und Flehendes in ihrer Tiefe. Sie sagte: «Doch jedesmal wache ich auf.» Dann fragte sie: «Was tun Sie eigentlich hier?»
    Hero antwortete offen: «Ich versuche, etwas über Gespenster her- , auszufinden.»
    Noreen fragte: «Was ist da groß herauszufinden? Entweder es sind Gespenster, oder es sind keine, nicht wahr?»
    Hero lächelte und sagte: «Das kommt ganz darauf an, mit was für Augen man sie betrachtet. Glaubst du an Gespenster?»
    «Natürlich! Meine Gespenster sind Gespenster. Ich mag sie gut leiden. Es wird einem so schön gruselig dabei.»
    «Fürchtest du dich nicht vor ihnen?»
    «Natürlich nicht. Wovor sollte ich mich denn fürchten? Sie sind ja nicht körperlich.»
    Hero sog nachdenklich an seiner Pfeife. «Auch die nicht, die Vasen vom Kaminsims schleudern, Pfannen und Töpfe umkippen und Steine werfen?» erkundigte er sich.
    «Pah!» meinte Noreen verächtlich. «Sie treffen ja niemand.»
    «Nein, aber sie erschrecken alte Leute», sagte Hero. «Deine Mutter zum Beispiel hat große Angst vor ihnen.»
    Noreens Gesichtausdruck wurde undurchdringlich. «Ach, Mutter fürchtet sich vor allem, sogar vor Daddy. Sie haßt ihn. Es sind nicht meine richtigen Eltern, wissen Sie. Sie haben mich adoptiert.»
    Das hatte Hero nicht gewußt, und doch kam es ihm jetzt vor, als hätte er es im Unterbewußtsein längst vermutet. Er betrachtete das Kind aufmerksam und fragte: «Wann hast du das herausgefunden?»
    «Erst vor kurzem», antwortete Noreen selbstgefällig. «Sie haben sich gezankt, und ich habe an der Tür gehorcht. Daddy hat Mummy angeschrien — es macht mich immer wütend, daß sie sich das gefallen läßt — , er sagte, sie wäre sogar zu faul und zu egoistisch, um ein Kind zu kriegen. Und Mummy sagte, sie hätte sich immer ein Kind gewünscht, aber nicht von ihm, weil er ein eitler, verlogener, oberflächlicher Schwätzer sei. Darum habe sie eins adoptiert. Und Vater sagte:     Hero hatte ihrem Bericht so gelassen wie möglich zugehört und sagte nun bloß: «Tut es dir leid, zu wissen, daß sie nicht deine richtigen Eltern sind?»
    Noreen überlegte einen Augenblick, bevor sie antwortete: «Nein, ich bin froh darüber, daß ich nichts von ihnen habe — nicht das kleinste bißchen. Ich bin einfach nur ich, ich — ich!»
    Mr. Hero fühlte sich von der tapferen und hoffnungslosen Erklärung des kleinen Mädchens tief gerührt. «Ja, du bist du, Noreen. Vergiß das nie.»
    Sie blickte ihn sehnsüchtig an. «Ich wollte, Sie wären mein Daddy», sagte sie, und Liebe und Zärtlichkeit verschönten ihr unregelmäßiges Gesicht. «Darf ich Sie umarmen?» fügte sie schüchtern hinzu. Hero nickte, und sie legte beide

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