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Immer diese Gespenster

Immer diese Gespenster

Titel: Immer diese Gespenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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benötigte keine Television, um Megs Gesichtsausdruck zu sehen, und keine hellseherischen Fähigkeiten, um zu wissen, daß sie seine Absicht durchschaute, als er Mrs. Taylors Alter erwähnte. Ihre nächste Bemerkung bestätigte es.
    «Bleib ihr nur hübsch treu, mein Lieber. Wann darf ich meine Einladung erwarten?»
    «Wahrscheinlich morgen im Lauf des Tages. Sobald du sie hast, nichts wie los.» v 1
    «Darauf kannst du dich verlassen», sagte Meg mit mehr Nachdruck, als Hero lieb war. Er konnte es nicht verhindern, daß seine Gedanken zu Mrs. Wilson und Susan schweiften, und hatte das unangenehme Gefühl, Meg blicke durch den Telefondraht geradewegs in sein Inneres.
    «Auf morgen also», sagte er und hängte auf. Doch etwas anderes beunruhigte ihn noch mehr, die Entdeckung nämlich, die er während des Gesprächs mit Meg gemacht hatte: Bei den Erscheinungen in Isobels Zimmer und in dem der Spendley-Carters handelte es sich zwar um eindeutige Manifestationen eines Poltergeistes, doch mußten es zwei verschiedene sein. In der gesamten Fachliteratur über Poltergeister war er noch nie auf einen Fall gestoßen, daß unter demselben Dach zwei Poltergeister vorkamen, und er zweifelte sehr, daß sie miteinander auskommen würden.
    Er trat in den Sonnenschein hinaus und blickte sich in dem Dorf um, das so hübsch an den Walsham Broads — einer seeartigen Flußerweiterung — lag, wo elegante Motorboote, Hausboote und Jachten vertäut waren. Er ging zur St. Dunstan-Kirche mit ihrem viereckigen, normannischen Turm, der aus Quadersteinen gebaut und mit halbierten Flintsteinen verkleidet war, den gleichen Flintkieseln übrigens, von denen sich einer durch das geschlossene Fenster im Schloß materialisiert hatte.
    Pfarrer Harry Witherspoon war nicht zu Haus. Hero hatte sich unter anderem entschuldigen wollen, daß er am Morgen zuvor so kurz angebunden gewesen war. Dafür traf er den Küster, einen ehrwürdigen Mann von fünfundsiebzig Jahren namens Butterworth. Der Alte war erfrischend unkompliziert; er glaubte an Gott, Pfarrer Witherspoon, die St. Dunstan-Kirche und betrachtete East Walsham als Mittelpunkt des Universums. Außerdem war er ein hervorragender Heimatforscher und Historiker und hatte sechs sorgfältig geführte Notizbücher mit Material über das Schloß Paradine Hall, die Familie Paradine und andere große Familien der Gegend gefüllt. Es fanden sich darin hochinteressante Angaben über die legendäre Nonne, die sich auf Quellen in den örtlichen Archiven stützten.
    Er freute sich kindlich, Mr. Hero nach Herzenslust in seinen Heften lesen zu sehen. Später suchte Hero die öffentliche Bücherei und das Rathaus auf, wo er weitere wertvolle Hinweise fand, und fuhr schließlich nach Great Yarmouth hinüber, wo er dem Deichbeamten des Bezirks einen Besuch abstattete. Es war später Nachmittag, als er sich voller Unruhe auf den Rückweg machte.
    Fast ohne es selbst zu bemerken, hielt er den Bentley auf der breiten Auffahrt zum Schloß an und betrachtete das stattliche Tudor-Gebäude, die schöne Ebenmäßigkeit der Türme und Türmchen, der Dachfenster und die ebenso schöne Regellosigkeit der hohen Schornsteine, die über das dunkle Ziegeldach ragten.
    Dieses Schloß zeugte von dem Schönheitssinn seiner Erbauer. Seit Jahrhunderten hatten gute und schlechte Menschen darin gewohnt und es mit Liebe, Haß und Lügen erfüllt. Die Mauern bestanden unverändert fort, während die Menschen und die Lügen von Generation zu Generation wechselten. Hero dachte darüber nach, wie anmaßend ein Mensch sein mußte, um für sich und seine Familie ein solches Bauwerk zu beanspruchen, und wie bemitleidenswert unsicher wiederum, wenn er sich veranlaßt fühlte, hinter so viel Mauerwerk Schutz zu suchen.
    Er überlegte auch, wie widersinnig es sei, daß dieses Schloß, das jahrhundertelang die Geheimnisse der Paradines verborgen gehalten hatte, nun zwangsläufig in ein Hotel — oder wie immer man es nennen wollte
    - verwandelt und der Öffentlichkeit preisgegeben worden war. Was mochten die einzelnen Familienmitglieder wohl davon halten, und wie nahmen sie es auf? Hatte diese Veränderung vielleicht sogar irgend etwas mit den Gespenstern zu tun, die das Schloß seit kurzem heimsuchten? Während er sich solchen Gedanken hingab, entdeckte er plötzlich, daß er beobachtet wurde. Hinter einer zweihundertjährigen Ulme verbarg sich jemand.
    «Komm hervor, komm hervor, wo immer du auch bist», sang Hero. Die zwölfjährige Noreen

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