Immer diese Gespenster
Gestatten Sie, daß ich mir Ihren Hund noch ein Weilchen borge?»
«Ja, gern», sagte Beth und schien erleichtert, daß er ging.
«Du mußt aber dableiben, Tante Beth», sagte Julian. «Ich möchte noch einen Fisch fangen.» Er knetete ein Brotkügelchen an die Angel und warf Schnur und Kork ins Wasser.
Um die beiden nicht noch einmal zu stören, ging Hero denselben Weg zurück, den er gekommen war. Als er einen letzten Blick auf sie warf, sah er sie eng umschlungen am Ufer sitzen. Dies rückte die Dinge in ein ganz neues Licht: Beth Paradine liebte also Sir Richard, während dieser — blind für ihre Gefühle — in ihre beste Freundin verliebt war. Es lohnte sich vielleicht, da einmal genauer aufzupassen. Er konnte es fast nicht erwarten, bis Meg endlich kam, und eilte voll Ungeduld ins Schloß zurück.
Es ging schon auf Mittag zu, und sie war immer noch nicht da. Hero setzte sich in einen bequemen Sessel im Wintergarten, von dem aus er die Zufahrt und den Schloßeingang gut überblicken konnte. Die große Glasscheibe war noch nicht eingesetzt, sondern lehnte schräg vor der Fensteröffnung, was bei dem blendenden Sonnenlicht zur Folge hatte, daß Hero zwar leicht hinaus-, doch niemand ohne weiteres hereinsehen konnte. Unmittelbar vor dem Fenster und parallel damit lief der Graben, in dem Kanalisationsarbeiten ausgeführt wurden, und manchmal streckte ein Mann Kopf oder Hacke über den Rand empor.
Er sah Noreen bäuchlings auf der Böschung oberhalb des Ziergartens liegen und sich mit Mr. Jellicot unterhalten. Major Wilson näherte sich von den Stallungen her, wurde offenbar durch eine Bewegung Heros abgelenkt, hielt inne und blickte durch die schräg stehende Scheibe in den Wintergarten hinein. Sein Mund stand halb offen, und er machte ein mürrisches Gesicht. Hero dachte: Er konnte nicht erkennen, ob Major Wilson ihn sah oder nicht, aber das war ja nicht wichtig. Wilson lachte lautlos und selbstzufrieden, wechselte ein paar Worte mit einem der Arbeiter im Graben und ging weiter. Ein paar Minuten später kehrte er in Begleitung seiner Frau zurück, und Mr. Hero verspürte beim Anblick ihrer schlanken, eleganten Figur die altbekannte Unruhe.
Da vernahm er das Geräusch eines Autos; ein mit dem Familienwappen versehener, von einem uniformierten Chauffeur gesteuerter Rolls-Royce hielt vor dem Eingang. Heros Herz machte einen Satz vor Freude. Er klemmte die Pfeife fester zwischen die Zähne, zündete sie wieder an und lehnte sich glücklich lächelnd in seinem Sessel zurück. Megs Ankunft vollzog sich in ganz großem Stil.
Lady Margaret Callandar war ein einfaches, praktisch veranlagtes Mädchen, das gewöhnlich mit der Bahn reiste, in London den Bus benutzte und zur Not mit einem einzigen Handkoffer auskam. Doch diesmal hatte sie es vorgezogen, standesgemäß aufzutreten, und entstieg dem blitzenden Wagen in einem Kleid von Balmain, einem Hut von Yves und hatte neun lilafarbene Gepäckstücke bei sich.
Noreen setzte sich auf und gaffte mit offenem Mund, die Gärtner unterbrachen ihre Arbeit, und Mrs. Wilson betrachtete Lady Margarets Toilette mit offensichtlicher Bewunderung. Mr. Hero zweifelte nicht, daß hinter den Fenstern im oberen Stock viele Leute dem Schauspiel beiwohnten. Er war höchst zufrieden mit seiner Stiefschwester.
Lord und Lady Paradine und Isobel eilten herbei, um sie zu begrüßen. Durch das angelehnte Fenster drangen Stimmen und Gesprächsfetzen zu Hero herein, der sich in seinem Lehnstuhl verborgen hielt.
«Es freut uns, Sie bei uns zu sehen», sagte Lord Paradine.
«Es war sehr freundlich von Ihnen, mich einzuladen», sagte Meg.
«Sie und Isobel sind ja alte Freundinnen», sagte Lady Paradine.
«Meine Liebe, ich kann es fast nicht glauben», murmelte Isobel. «Das letzte Mal...»
«Erinnern Sie mich bitte nicht daran», wehrte Meg lachend ab. «Ich trug Zöpfe, hatte ständig einen Kaugummi im Mund und war schrecklich linkisch. Aber Sie haben sich gar nicht verändert, außer daß Sie noch schöner geworden sind.»
Huggins erschien und nahm sich des Gepäcks an. Die Wilsons waren so lange wie irgend möglich stehengeblieben und gingen jetzt widerstrebend weiter. Noreen kam herüber und starrte Meg mit über dem Bauch gefalteten Händen neugierig an. Auch Mr. Jellicot konnte die Augen nicht von ihr lassen. Hero hatte das Gefühl, Meg wisse, daß er sie von irgendwoher
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