Immer für dich da (German Edition)
machen?«
Als Kate aus dem Bus stieg, warf sie erst einmal einen Blick auf den Zettel, um sich zu orientieren. An diesem Abend befand sie sich auf einer Mission. Sie wollte ihre beste Freundin davor bewahren, den größten Fehler ihres Lebens zu begehen.
Mit einem Dozenten zu schlafen.
Im Ernst, was sollte dabei herauskommen?
Sie ging auf ein Gebäude zu, das wie eine Kneipe aussah und ein Schild mit der Aufschrift Last Exit of Brooklyn trug. Drinnen fand sich Kate in einer vollkommen neuen Welt wieder. Zunächst einmal war das Lokal riesig. Es hatte mindestens fünfundsiebzig Tische. Mittelpunkt des Saals schien eine Bühne mit einem Klavier zu sein. Neben dem Klavier hing ein verblasstes Poster an der Wand, dessen Ecken sich bereits einrollten. Es war das Desiderata-Gedicht: Go placidly amid the noise and haste and remember what peace there may be in silence – Geh gelassen inmitten von Lärm und Hast und denk an den Frieden der Stille.
Frieden und Stille gab es hier allerdings nicht. Genauso wenig wie frische Luft.
Sie steuerte eine der hinteren Ecken an. Durch eine geöffnete Tür sah sie einen Außenbereich mit Picknickbänken, wo weitere Gäste saßen und rauchten.
Tully saß an einem der hinteren Tische in einer dunklen Ecke. Als sie Kate erblickte, stand sie auf und winkte.
Dann sah sie ihn. Chad Wiley.
Er sah ganz anders aus, als sie erwartet hatte. Er fläzte lässig auf dem Stuhl und hatte ein Bein ausgestreckt. Obwohl es dämmrig und verraucht war, konnte sie erkennen, wie gut er aussah. Jedenfalls sah er nicht alt aus. Müde vielleicht, aber eher lebensüberdrüssig als erschöpft. Wie ein alternder Revolverheld oder Rockstar. Als er sie ansah, breitete sich ganz langsam ein Lächeln über sein Gesicht, und der Blick in seinen von Lachfältchen umgebenen Augen war so wissend, dass sie überrumpelt stolperte.
Er wusste, warum sie hier war: Ein Mädchen wollte ihre beste Freundin davor bewahren, sich mit dem falschen Mann zusammenzutun.
»Sie müssen Chad sein«, sagte sie.
»Und Sie Katie.«
Als er ihren Kosenamen benutzte, zuckte sie zusammen. Es erinnerte sie mehr als deutlich daran, dass auch Chad Tully kannte.
»Setz dich«, bat Tully. »Ich hol eine Kellnerin.« Und noch bevor Kate sie aufhalten konnte, war sie aufgesprungen.
Kate blickte zu Chad; er erwiderte ihren Blick und lächelte, als wüsste er etwas, was sie nicht wusste. »Ein interessantes Etablissement«, sagte sie, um Konversation zu betreiben.
»Eine Art Kneipe ohne Bier«, antwortete er. »Hier kann man sein altes Ich abstreifen.«
»Ich dachte, Veränderung käme von innen.«
»Manchmal. Manchmal wird sie einem auch von außen aufgezwungen.«
Bei diesen Worten verdunkelte sich sein Blick wie von einer unbekannten Emotion. Sie musste plötzlich an seine Vergangenheit denken, an die Karriere, die so jäh ihr Ende gefunden hatte. »Würde die Uni von Ihrer Beziehung zu Tully erfahren, würden Sie doch gefeuert, oder nicht?«
Er zog sein Bein zurück und setzte sich auf. »Ach, so läuft der Hase. Gut. Ich mag Direktheit. Ja. Ich würde ein zweites Mal meine Stelle verlieren.«
»Sind Sie eine Art Risikojunkie?«
»Nein.«
»Haben Sie schon öfter mit Studentinnen geschlafen?«
Er lachte. »Wohl kaum.«
»Was soll das also?«
Er warf einen Blick zu Tully hinüber, die versuchte, an der überfüllten Theke etwas zu bestellen. »Ausgerechnet Sie fragen mich das? Wieso ist sie Ihre beste Freundin?«
»Weil sie etwas Besonderes ist.«
»Eben.«
»Aber was ist mit ihrer Karriere? Wenn herauskäme, dass sie etwas mit Ihnen hat, wäre die auch beendet. Dann hieße es, sie hätte sich hochgeschlafen.«
»Sehr schön, Katie. Sie sollten auf sie aufpassen. Sie braucht das, denn sie ist zerbrechlich, unsere Tully.«
Kate wusste nicht, was sie mehr ärgerte – dass er Tully als »zerbrechlich« bezeichnete oder sie unsere Tully nannte. »Sie ist eine Dampfwalze. Ich nenne sie nicht umsonst Hurrikan Tully.«
»Aber das ist nur Fassade. Show.«
»Also interessieren Sie sich wirklich für sie.«
»Umso schlimmer, nicht wahr? Was werden Sie ihr sagen?«
»Worüber?«
»Sie sind doch hierhergekommen, um sie dazu zu bringen, sich nicht mehr mit mir zu treffen, oder etwa nicht? Sie könnten ins Feld führen, ich sei zu alt. Der Ansatz mit dem Abhängigkeitsverhältnis ist auch vielversprechend. Ich trinke auch zu viel, nur dass Sie es wissen.«
»Soll ich ihr all das sagen?«
»Nein, Sie sollen ihr nichts von
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