Immer für dich da (German Edition)
bin ich netter, versprochen.«
»Tully hat mir erzählt, dass Sie Kriegskorrespondent waren.«
»Ja.«
»Das war bestimmt aufregend, oder?«
Sie sah etwas in seinen Augen aufblitzen; instinktiv hätte sie auf Trauer getippt, aber konnte man’s wissen? »Es war Wahnsinn.«
»Wieso haben Sie damit aufgehört?«
»Um das zu verstehen, sind Sie zu jung.«
»So viel jünger bin ich auch nicht. Versuchen Sie’s doch mal.«
Er seufzte. »Manchmal spielt einem das Leben übel mit. Mehr ist dazu nicht zu sagen. Es ist wie in dem Stones-Song: ›You can’t always get what you want‹. Man bekommt eben nicht immer, was man will.«
»Aber in dem Lied heißt es, man bekäme stattdessen, was man braucht.«
In dem Moment sah er sie an, und eine Sekunde lang spürte sie, dass er sie wirklich wahrnahm. »Haben Sie sich heute Morgen denn beschäftigen können?«
»Die Ablage war ein einziges Chaos, genau wie die Post. Außerdem habe ich alle Bänder in die Regale eingeordnet.«
Er lachte. Das veränderte sein Gesicht vollkommen, machte es so anziehend, dass Kate der Atem stockte. »Wir haben seit Monaten versucht, Tully dazu zu bringen.«
»Ich wollte nicht –«
»Keine Sorge, Sie bringen Ihre Freundin nicht in Schwierigkeiten. Glauben Sie mir, ich weiß genau, was man von Tully erwarten kann.«
»Und das wäre?«
»Leidenschaft«, sagte er einfach und stopfte das Sandwichpapier in den Styroporbecher.
Als sie das hörte, wäre Kate fast zusammengezuckt, und plötzlich wusste sie, dass sie in Schwierigkeiten war. Es war völlig unwichtig, wie oft sie sich sagte, dass er ihr Boss war: Es änderte nichts. Am Ende war nur wichtig, was sie empfand, wenn er in der Nähe war.
Liebe. Ein anderes Wort gab es nicht dafür.
Doch den Rest des Tages, während sie das Telefon bediente und Formulare ausfüllte, ging ihr immer wieder durch den Kopf, was er, wie aus der Pistole geschossen, über Tully gesagt hatte: Leidenschaft.
Vor allem aber wollte ihr eins nicht aus dem Kopf: sein bewunderndes Lächeln.
Kapitel 12
I m Sommer nach ihrem Abschluss kam Tully sich vor wie im Paradies. Sie und Kate fanden eine günstige Wohnung in einem Wohnhaus aus den 60 er Jahren, das genau oberhalb des Pike Place Markets lag. Sie richteten es mit den Möbeln ihrer Großmutter ein und statteten die Küche mit Edelstahltöpfen und weiß-blauem Porzellan aus. Mrs Mularkey überraschte sie eines Tages mit Tüten voller Vorräte und einigen künstlichen Blumen, damit sie sich, wie sie sagte, gleich heimisch fühlten.
Das Viertel prägte ihren Tagesablauf. Sie hatten mehrere Bars in der Nähe – am liebsten gingen sie ins Athenian im Market selbst und in das verrauchte, alte Virginia Inn an der Ecke. Um sechs Uhr morgens holten sie sich ihren Milchkaffee von Starbucks direkt gegenüber und Croissants von einer französischen Bäckerei.
Als berufstätige Singles schufen sie sich eine angenehme Routine. Jeden Morgen frühstückten sie auswärts, saßen an Tischchen auf einem Bürgersteig und lasen Zeitung. Danach fuhren sie zur Redaktion, wo sie täglich etwas Neues über die Nachrichtenbranche lernten, und nach der Arbeit zogen sie sich um und gingen in einen der vielen Clubs in der Innenstadt.
Da Tully nun ihre Beziehung zu Chad nicht mehr verheimlichen musste, schloss er sich ihnen oft an und sie feierten zu dritt.
Das war das Leben, von dem Kate und sie vor vielen Jahren am schattigen Ufer des Pilchuck River geträumt hatten, und Tully genoss jede einzelne Minute.
Jetzt hielten sie gerade vor der Redaktion. Auf dem Weg hinauf plauderten sie, doch kaum hatte Tully die Tür geöffnet, wusste sie, dass etwas passiert war. Mutt packte gerade eilig seine Kameraausrüstung zusammen. Johnny befand sich in seinem Büro und schrie jemanden am Telefon an.
»Was ist los?«, fragte Tully und schmiss ihre Tasche auf Kates aufgeräumten Schreibtisch.
Mutt blickte zu ihr. »Eine Demonstration, über die wir berichten sollen.«
»Wo ist Carol?«
»Im Krankenhaus. Wehen.«
Das war Tullys Chance. Sie ging schnurstracks, ohne anzuklopfen, in Johnnys Büro.
»Lass mich auf Sendung gehen. Ich weiß, du meinst, ich sei noch nicht so weit, aber das stimmt nicht. Außerdem ist sonst niemand da.«
Er legte auf und sah zu ihr herüber. »Ich hab gerade dem Sender mitgeteilt, dass du den Bericht übernimmst. Deshalb hab ich so rumgebrüllt.« Er umrundete seinen Schreibtisch und trat auf sie zu. »Lass mich jetzt nicht hängen, Tully.«
Tully wusste,
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