Immer Schön Gierig Bleiben
man der kleinen Annika ja nur gute Besserung wünschen«, sagte Zabriskie.
»Oh, Entschuldigung. Ich dachte, Sie sind die Spanischlehrerin von Annika Bolte aus der dritten Etage. Die hat sich furchtbar erkältet.« Die Frau spazierte durch das Gartentor und Zabriskie spazierte hinterher. »Sie glauben nicht, wie mich das ankotzt, dauernd diesen Müll rauszubringen. Gott sei Dank haben wir die Vollsortierung abonniert und müssen nicht zur Müllsammelstelle. Ab in die Tonne und das war’s.«
»Müll rausbringen ist Männersache«, sagte Zabriskie.
Der Tonfall der Frau veränderte sich von einem Moment auf den anderen. »Wenn Sie nicht Annikas Spanischlehrerin sind, was wollen Sie hier? Auf meiner Terrasse?«
Zabriskie zückte ihren Dienstausweis, und schon wieder änderte sich die Stimmung der Frau. »Ach, Sie sind wegen der Toten vom Friedhof hier? Kommen Sie doch rein, mir ist jede Abwechslung recht. Ich bin Ines Meier.«
Zabriskie trat über die Türschwelle. Sie stand in einem großen Wohnzimmer, das mit hellem Teppichboden ausgelegt war. Links ein mit dunkelgrüner Mikrofaser bespanntes Rattanecksofa, gegenüber hing ein Flachbildfernseher.
An der rückwärtigen Wand stand ein großes Regal, vollgestopft mit Büchern und Spielsachen. In Bodennähe befand sich ein größeres Fach. Darin hing ein Mercedesstern an einem Nagel. Davor stand ein metallicgoldenes Mercedes-Cabrio. Daneben lag ein Stapel Spielkarten, die Fahrer aus der Formel 1 zeigten.
Zabriskie betrachtete sich den Mercedesstern. »Waren Sie früher mal bei den Autonomen? Ist das ein Andenken an Ihr wildes Leben?«, fragte sie Ines Meier.
»Mein Leben ist wild genug mit meinem Sohn. Nein, diesen Kram hat mein Mann seinem Sohn hinterlassen.«
»Hinterlassen?«, fragte Zabriskie. »Ist er …?«
»Nein, der ist putzmunter.« Ines Meier stellte zwei Gläser und eine Flasche selbstgesprudeltes Wasser auf den Tisch. »Aber abgehauen.«
»Abgehauen?«
»Nein, eigentlich habe ich ihn rausgeschmissen.«
»Wieso haben Sie ihn rausgeschmissen?«
»Weil er seinen Müll nicht rausgetragen hat. Ich musste ihm dauernd hinterherräumen.«
»Verstehe, das kann manchmal ganz schön …«
»Widerlich, es war einfach nur widerlich. Das Zeug fängt ja schon nach einem Tag dermaßen an zu stinken. Und es wurde immer mehr. Ich ekele mich so vor Fisch. Wir hätten es verschenken können.«
»Ist Ihnen vorgestern zwischen siebzehn und neunzehn Uhr etwas aufgefallen?« Zabriskie zeigte das Foto der Toten und trank einen Schluck. »Haben Sie diese Frau gesehen? Sie war blond, als sie ermordet wurde. Haben Sie einen Schrei gehört oder anderen Lärm?«
»Nein, ich habe niemand gesehen und nichts gehört«, sagte Ines Meier.
»Kennen Sie hier jemand, der Ärger mit Frauen hat? Oder mit Maklern?«
»Wer hat keinen Ärger mit Maklern?« Ines Meier schob den Kopf ein wenig vor. »War die Tote Maklerin?«
»Wenn es so wäre, würde das Ihre Antwort ändern?«
»Nein, aber es gibt hier sehr viele, vor allem an den Wochenenden. Sie sehen ja, an Baustellen ist kein Mangel.« Ines Meier zog hinter einem Sofakissen eine Kindersocke hervor und schob sie in die Hosentasche. »Ich glaube, ich bin keine große Hilfe. Wir kucken zwischen fünf und sieben meistens fern, Lukas und ich. Meistens sehr laut.«
»Wie alt ist Lukas?«, fragte Zabriskie.
»Sieben. Er geht in die zweite Klasse.«
»Und was machen Sie?«
»Grafikdesign.«
»Werbung?«
»Zu hektisch. Und mit dem Kind würde ich jede zweite Abgabefrist versäumen. Hochzeitskarten, Fotoalben, Urlaubstagebücher: gedruckte Erinnerungsstücke für den privaten Bedarf. Da ist der Zeitdruck nicht so groß. Ich habe mal einer Freundin zum Geburtstag ein Urlaubsalbum geschenkt. Das hat zwei anderen Frauen auf der Geburtstagsfeier so gut gefallen, dass sie das auch wollten. Seitdem geht das nur über Mundpropaganda. Ich habe noch nicht mal eine Website. Ich existiere eigentlich gar nicht.« Ines Meier trank einen Schluck. »Und Sie müssen jetzt die ganze Halbinsel befragen?«
»So ungefähr.«
»Das wäre mir zu viel Lauferei«, sagte Ines Meier. »Ich sitze lieber auf der Terrasse und retuschiere Sonnenbrand.«
»Es ist ein Traumjob«, sagte Zabriskie.
10
Stiesel breitete die drei Drohbriefe an Verena Adomeit auf seinem Schreibtisch aus, der mittlerweile von fast allem Papier befreit war.
Dorfner hatte sich Bördensens Stuhl herangezogen und starrte mit verschränkten Armen auf das Papier.
»Schau mal,
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