Immer Schön Gierig Bleiben
erinnert.«
Zabriskie senkte den Kopf. Typisch Haeckel, immer am Limit und darüber hinaus. Welche krummen Touren er sich wohl geleistet hätte, wenn er weiter im Polizeidienst geblieben wäre? Sie verscheuchte den Gedanken ganz schnell wieder. Er redete mit ihr. Er würde helfen.
»Na, was ist? Wollen wir mal einen Blick riskieren?« Haeckel kicherte, und der Rumpf der Soldatenstatue gab das Echo zurück. Er nahm einen Glasbehälter und trug ihn zu einem Arbeitstisch aus Edelstahl. Darauf stand etwas, das aussah wie eine Buttonmaschine. Es gab einen langen Bügel, mit dem man Kraft auf zwei Sprungfedern übertragen konnte. Zabriskie erinnerte sich daran, dass sie an der Schule einmal mit so einem Ding Buttons produziert hatte. Es war um den Kampf gegen irgendwelche Lehrplanreformen gegangen. Eine mühsame Arbeit war es gewesen, mit diesem Pumpschwengel Hunderte von Buttons auszustoßen. Anders als bei der Buttonmaschine aus ihrer Kindheit hatte dieses Gerät hier zwei Erhöhungen, so groß wie zwei Braillepunkte für die Fingerkuppen eines Riesen. In der Mitte jeder Halbkugel gab es ein winziges Loch.
Haeckel schob den Plastikdeckel mit beiden Daumen vom Glasbehälter. Mit einer Pinzette, die an den Spitzen mit zwei Gummistopfen abgepolstert war, fischte er die erste Kontaktlinse aus der Flüssigkeit und platzierte sie auf einer der Erhöhungen. Als beide Kontaktlinsen lagen, wo Haeckel sie haben wollte, nickte er Zabriskie zu. »Wenn Sie mal bitte so freundlich wären, diesen Bügel herunterzudrücken, bis er einrastet.« Er beugte sich über einen Laptop, der auf einem Beistelltisch stand. Ein Kabel führte von der Buttonmaschine zum Laptop. Als Haeckel die Maus bewegte, wurde der Bildschirm hell. Zabriskie senkte den Bügel, und zwei Manschetten aus Metall umschlossen die Kontaktlinsen von oben. Haeckel tippte auf der Tastatur herum. »Treten Sie ein paar Schritte zurück, es wird gleich sehr viel Energie freigesetzt.« Er reichte Zabriskie eine Sonnenbrille und setzte selbst eine auf.
Zabriskie schob sie sich auf die Nase und trat neben Haeckel, der in diesem Moment die Enter-Taste drückte. Einen Augenblick geschah nichts, dann leuchteten die beiden Halbkugeln auf. Selbst die Sonnenbrille bot keinen vollständigen Schutz, und Zabriskie sah geblendet zur Seite. Aus den Augenwinkeln nahm sie ein Farbenfeuerwerk wahr. Wellen unterschiedlich gefärbten Lichts erleuchteten das Innere der Bronzeskulptur, wurden immer schwächer und verglommen schließlich zu zwei hellen Punkten, die über den Kontaktlinsen schwebten.
Als auch sie erloschen waren, nahm Haeckel die Sonnenbrille ab. »Leider ist es mir noch nicht gelungen, diese Energie zu speichern. Sagen Sie das bitte nicht weiter. Die Bewohner der Halde sind alle gehalten, nachhaltig zu wirtschaften. Dieses Spektakel ist nicht vorbildlich, was die Energiebilanz betrifft.« Er trat an die Buttonmaschine, drückte einen Knopf, und der Hebel schnappte nach oben. Die beiden Kontaktlinsen legte er zurück in die Flüssigkeit, verschloss das Gefäß und stellte es in das Regal zurück.
»Und jetzt?«, fragte Zabriskie.
»Jetzt warten wir«, sagte Haeckel. »Der Computer muss die Datenmengen verarbeiten und synchronisieren. Kommen Sie mit.« Er lief quer durch den Raum zu einem Drucker. Die Minuten verstrichen. Dann sprang ein grünes Lämpchen am Drucker an, und die Walze setzte sich in Bewegung. Einen Augenblick später starrten Zabriskie und Haeckel auf den Ausdruck im Format DIN A 4. Das obere Drittel war dunkel, dann folgte eine hellere Fläche, deren Ecken abgerundet waren. Rechts war eine fahlblaue Fläche zu sehen, die mit weißen Zeichen überzogen war. Von links schob sich ein graues Rechteck auf Stelzen in das Bild hinein.
»Erkennen Sie, was es ist?«, fragte Haeckel. »Warten Sie, es schärft sich noch nach.«
Das Blatt in Zabriskies Hand zitterte. Vor ihren Augen wurde aus dem schemenhaften Umriss ein leidlich scharfes Bild, beinahe monochrom in den Farben, bis auf die blaue Fläche rechts und zwei rote Flecken in der Mitte des Bildes.
»Ein Autobahnwegweiser«, sagte Zabriskie. »Zumindest die obere Hälfte. Das hier links ist die Spandauer Brücke. Und die runden Ecken …«
»Sind die Umrisse der Windschutzscheibe des Autos«, sagte Haeckel. »Das Letzte, was der junge Mann gesehen hat.«
Zabriskie schüttelte den Kopf. »Die Bildqualität ist gar nicht schlecht. Nur die Schrift kann man nicht lesen.«
Haeckel kicherte. »Nun, ich habe ein
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