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Immer Schön Gierig Bleiben

Immer Schön Gierig Bleiben

Titel: Immer Schön Gierig Bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Alef
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Und wissen Sie, warum? Wegen des Ruhmes, der zu erwarten war. Unverzeihlich. Also …« Er stampfte mit seiner Prothese zweimal auf den Boden. »Was liegt an? Warum sind Sie hier?«
    »Es geht um einen Mord, einen Mord an einer Frau. Sie wurde erwürgt, hier ganz in der Nähe, auf der anderen Seite des Flusses, auf Stralau.«
    Haeckel verzog keine Miene, aber Zabriskie wusste: Das bedeutete nicht, dass er kein Interesse hatte.
    »Sie trug Kontaktlinsen.« Sie griff in ihre Hosentasche. »Eine der Linsen haben wir am Tatort gefunden.« Sie rollte die Plastiktüte auf und hielt sie in die Höhe. Haeckel rückte den Kopf ein Stück nach vorn.
Ich habe ihn
, dachte Zabriskie, und hielt die Tüte reglos in die Höhe.
Und er hat etwas für mich
. »Die andere Kontaktlinse ist verschwunden.«
    »Woher wissen Sie, dass es sich um die Kontaktlinse der Toten handelt?«, fragte Haeckel.
    »Wir haben einen DNA-Abgleich mit der Tränenflüssigkeit auf der Linse und der Toten gemacht. Das Ergebnis ist eindeutig.«
    »Und jetzt hätten Sie gerne einen eindeutigen Hinweis, der Ihnen weiterhilft.« Haeckel schob den gesunden Fuß über das Metallgitter, dass es knirschte.
    »Ja. Sie sind der Mensch, der am meisten über Augen weiß, den ich kenne. Irgendetwas muss es doch geben, das uns weiterhilft.«
    Haeckel schwieg und sah auf das Gitter zu seinen Füßen. »Was sagt denn Ihr Vorgesetzter Pachulke dazu, dass Sie mich aufsuchen?«
    Zabriskie presste die Lippen zusammen. Sie mochte es nicht, wenn jemand auf die formale Hierarchie hinwies, die zwischen ihr und Pachulke existierte. Pachulke mochte das auch nicht, was die Arbeit immens erleichterte. Er ließ sich überreden, überzeugen, manchmal auch überrumpeln. Bei Haeckel hatte keine dieser Strategien bis jetzt funktioniert. Es war ihm offensichtlich nicht recht, dass sie hier war. Wenn sie ihn jetzt kränkte, würde er sie rausschmeißen.
    »Pachulke war dagegen, dass ich Sie suche«, sagte Zabriskie. Haeckels Mundwinkel zuckte. »Er meint, es wäre besser, wenn Sie so wenig wie möglich mit der Polizei zu tun haben und die Polizei mit Ihnen.«
    »Aber Sie sehen das anders.«
    Zabriskie nickte. »Ich sehe das anders, weil Sie anders sehen, weil Sie mir beigebracht haben, anders zu sehen. Außerdem …« Sie holte tief Luft. »Sie haben genug bezahlt. Die Probanden, die verletzt wurden, waren mindestens so scharf auf den Ruhm wie Sie. Die beiden haben Arbeit, sie leben in der Stadt, nicht hier. Sie dagegen sind abgetaucht, haben alles aufgegeben. Außerdem hatten Sie diesen Unfall.«
    Haeckel lachte in sich hinein. »Und Sie meinen, damit könnte ich Nothoff und Speckler wieder ins Auge schauen. Inter pares quasi, von Krüppel zu Krüppel. Nicht doch.« Er starrte weiter auf den Boden. Schließlich seufzte er. »Sie sind ehrlich zu mir, Zabriskie, und deswegen werde ich auch ehrlich zu Ihnen sein.« Er drückte einen Knopf und hinter ihm leuchtete ein Regal auf. Darin standen viele kleine Glasbehälter, so groß wie Schnapsgläser, jeder mit einem Plastikdeckel und einem Etikett.
    Zabriskie trat einen Schritt zurück.
    »Ich kann es nicht dauernd beleuchten, der Strom ist immer knapp hier.« Haeckel erhob sich und ging zu dem Regal. »Ich nehme an, Sie wissen nicht, was das ist.«
    Zabriskie trat näher. Sie kniff die Augen zusammen. In den Gläsern war Flüssigkeit, und in der Flüssigkeit lagen durchsichtige Objekte. Manchmal zwei in einem Glas, manchmal nur eins. »Kontaktlinsen?«
    Haeckel nickte. »Mein Archiv des letzten Augenblicks.«
    »Das heißt, das sind …«
    »Das sind Kontaktlinsen, die Menschen im Augenblick ihres Todes getragen haben. Hier zum Beispiel ein junger Mann, Verkehrsunfall auf der Stadtautobahn vor zwei Jahren. Zu schnell an einem Novembernachmittag. Oder hier …« Er deutete auf ein anderes Glas. »Jemand in einem Krankenhaus. Gestorben im Bett.«
    »Wie kommen Sie an diese Kontaktlinsen?« Zabriskie fröstelte.
    Haeckel warf ihr einen durchdringenden Blick zu. »Haben Sie schon einmal gehört, dass ein Zauberkünstler darüber redet, wie seine Tricks funktionieren? Also fragen Sie mich bitte nicht, woher ich die Kontaktlinsen habe.« Sein Blick entspannte sich. »Ich gehe fast jeden Tag zum Hafen, zu den Anlegestellen, wo der Müll angelandet wird. Die Schauerleute kennen mich, und wenn sie eine Linse finden, reichen sie sie an mich weiter. Manchmal bekomme ich auch Post aus der Stadt. Sie sind nicht die Einzige, die sich an meine Arbeit

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