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Immer verlasse ich dich

Immer verlasse ich dich

Titel: Immer verlasse ich dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Scoppettone
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sagt
er.
    »Rick?«
    »Ich auch. Nein, ich würde Williams
Haar nicht blond nennen.«
    William sagt: »Würdest du es Rose Marie
nennen?«
    Rick beachtet William nicht und sagt:
»Warum willst du das wissen, Lauren?«
    Was jetzt? Ich kann ihnen nicht den
wahren Grund sagen, und ich will Williams Zeitlücke auch nicht vor Rick
erörtern. Ich schaue auf meine Uhr. »Wir sollten lieber gehen, es wird
allmählich spät.«
    »Du gehst mit ihm hin?«
    »Na klar. Wozu hat man denn Freunde?«
    »Dann brauche ich ja nicht mit«, sagt
Rick, außerstande, seine Zufriedenheit zu verbergen. »Ich habe einen dringenden
Abgabetermin.« Rick hat immerzu dringende Abgabetermine.
    »Laß dir deshalb keine grauen Haare
wachsen. Komm, William.«
    Als wir zur Tür gehen, sagt Rick: »Und
warum wolltest du das mit seinem Haar wissen?«
    »Das sage ich dir später«, antworte
ich.
    William sagt: »Vielleicht wäre Milton
ein guter Name für mein Haar.«
    Auf der Treppe reden wir nicht, aber
draußen sage ich zu ihm: »Wirst du jetzt mal ernst sein?«
    »Ich bin doch immer ernst.«
    »Ich mache keinen Spaß, William.«
    »Na schön. Was ist?«
    »Wann fand der Überfall statt?«
    »Ich dachte schon, du würdest nie
fragen«, erwidert er trocken.
    »Ich frage jetzt.«
    »Gegen halb acht. Ja, ich weiß, ich kam
erst um Viertel nach neun bei euch an. Ist das der Grund, warum du nach meinem
Haar gefragt hast? Glaubst du tatsächlich, daß ich Meg getötet habe?«
    »Natürlich nicht.« Und warum habe ich
es dann gefragt? Manchmal korrumpiert mein Beruf die heiligsten Dinge.
    »Warum wolltest du denn sonst meine
Haarfarbe wissen?« bohrt er.
    »Vergiß jetzt mal dein Haar. Wo warst
du in diesen zwei Stunden?«
    »Tja, eine Zeitlang war ich bei der
Polizei.«
    »Und dann?«
    »Lauren, darüber möchte ich lieber
nicht reden.«
    »Mit der Polizei wirst du darüber reden
müssen, also kannst du es mir auch gleich sagen.« Wir biegen in die Bleecker
ein.
    »Eigentlich sehe ich nicht ein, wieso
das unbedingt sein muß.«
    »Warum bist du so?«
    »Wie bin ich denn?«
    »Du bringst einen zur Verzweiflung.«
    William sieht mich an, wirft mir ein
vernichtendes Lächeln zu. »Reg dich ab, ja?«
    Ich bin ungeheuer verletzt. So hat er
noch nie mit mir geredet, und er hat mir immer alles erzählt. Zumindest nahm
ich das an. Andererseits habe ich ja auch immer gedacht, er habe einen
Führerschein. Ich frage mich, wie gut wir einen Menschen überhaupt jemals kennen.
Sofort fällt mir Kip ein. Kenne ich sie so gut, wie ich sie zu kennen glaube?
Selbst nach all diesen gemeinsamen Jahren gibt es noch kleine Überraschungen,
aber gerade dadurch macht es Spaß, bleibt es lebendig. Eigentlich geht es mir
eher um Geheimnisse. Hat Kip Geheimnisse vor mir? William offensichtlich
schon.
    An der Tenth Street schlagen wir
schweigend die Richtung zum 6. Polizeirevier ein. An der Ecke bittet u ns
ein kleiner Mann mit zerzaustem Haar und einem Gesicht wie eine getrocknete
Aprikose um Geld. Ich habe heute meinen gewohnten Beutel mit Kleingeld nicht
dabei, und William scheint abgeneigt, etwas zu geben. Wir gehen um den Mann
herum.
    Er fängt an zu brüllen. »Ihr
Scheißplebejer. Keine Klasse. Was ist aus der Welt geworden? Fickt euch doch in
eure vier Buchstaben.«
    William und ich sehen einander an und
sagen gleichzeitig: »Eure vier Buchstaben?«
    »Ja, eure vier Buchstaben«, sagt der
Mann herausfordernd. »Ihr bourgeoisen Feiglinge.«
    Wir gehen weiter. »Diesen Ausdruck habe
ich nicht mehr gehört, seit ich ein Kind war«, meint William.
    »Ich auch nicht.«
    Die momentane Gemeinsamkeit ist
vorüber, wir Schweigen. Mir ist, als ginge ich neben einem Fremden.
     
    Wir sitzen in Cecchis kleinem Büro. Ein
deprimierender Raum: schwache Beleuchtung, graue Metallmöbel, Farbe, die sich
von den Wänden schält wie verbrannte Haut. William hat die beiden Verdächtigen
bei der Gegenüberstellung identifiziert.
    Cecchi sagt: »Gut, daß wir diese
Scheißkerle geschnappt haben. Ich denke, sie hatten auch bei einigen anderen
Überfällen die Finger im Spiel. Später kommen noch weitere Zeugen rein. Aber
auch wenn sie sie nicht identifizieren können, du wirst einen prima Zeugen
abgeben, William.«
    Williams Gesicht wird blaß. »Zeugen?«
    »Wenn sie vor Gericht kommen. Es sei
denn, sie gestehen.«
    »Oh, richtig«, sagt er.
    Ich mag ja nicht alles über
William wissen, aber ich weiß genau, wann er beunruhigt ist, Angst hat.
    »Ach, übrigens«, sagt Cecchi, »wo warst
du in der

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