Immer verlasse ich dich
Buch
mögen, das beste, was sie seiät Jahren geschrieben hat. Macht euch nicht die
Mühe, es mir zurückzugeben, ich habe allmählich keinen Platz mehr. Gebt es
weiter, wenn ihr es nicht behalten wollt.«
Das sollte eine Andeutung sein, daß sie
es für sich gekauft hatte und es deshalb kein echtes Geschenk war. Trotzdem,
was war mit uns los, daß wir uns nicht fragten, wo das Geld für diese Bücher
herkam? War der Grund, daß wir es nicht wissen wollten, weil wir gern
die Geschenke bekamen?
Waren diese Bücher schon hier, als ich
Meg das letzte Mal besuchte? Ja, aber ich schenkte ihnen keine Beachtung. Meg
hatte stets Bücherstapel auf dem Fußboden, und die letzten paar Male, als ich
hierherkam, gingen wir schnell wieder, weil wir etwas unternehmen wollten. Ich
weiß, daß sie ihre Bücher bei Three Lives kaufte. Ich mache mir eine geistige
Notiz, die Js dazu zu befragen.
Wann war ich denn eigentlich etwas
länger hiergewesen? Ich bin überrascht, als ich mich nicht erinnern kann. Es
ist ewig her. Meg hatte vor mehreren Jahren aufgehört, selbst zu kochen, sie
sagte, sie sei ausgebrannt, und aß fast jeden Abend auswärts. Wie konnte sie
sich das leisten?
Wieder im Schlafzimmer, gehe ich
geradewegs zu der antiken Kommode und öffne die oberste Schublade, weil ich
weiß, daß Meg hier in einer albernen gelben Schachtel ihren Schmuck
aufbewahrte. Ich öffne sie.
Alles, was glänzt, ist Gold! Da
bin ich ganz sicher. Dies ist nicht der alte Schmuck vom Schlage Megs:
Plastikperlen, verrückte Anstecker. Da sind schwere Schnüre für den Hals,
breite Armreifen, Ohrringe. Doch ich habe sie nie etwas von diesem Zeug tragen
sehen.
Was geht hier vor?
Ich stelle die Schachtel an ihren Platz
zurück. Methodisch untersuche ich sämtliche Schubladen, finde jedoch nur einige
ungetragene Kaschmirpullover, nichts, um diese untypische Opulenz zu erklären.
Ich bringe eineinhalb Stunden damit zu,
die ganze Wohnung durchzugehen, ohne auf etwas zu stoßen, das mir einen
Anhaltspunkt gibt, mir eine Geschichte erzählt.
Erst als ich schon aufbrechen will,
wird mir klar, daß ich unter all den Anzeichen für Megs rätselhaften Wohlstand
absolut nichts gefunden habe, was auf die Identität von Thema Nr. 1 schließen
läßt. Wie kann das sein? Hatte sie Schluß mit ihm gemacht, so daß er dann
womöglich in einer Kurzschlußreaktion ihr Leben beendete? Gewiß kein
ungewöhnlicher Hergang. Oder existierte Thema Nr. 1 überhaupt nicht? Fühlte sie
sich so allein, daß sie sich einen Lebensgefährten erfand? Das kommt mir zu
bizarr vor. Dennoch, woher will ich das wissen? Und dann fällt es mir
schlagartig ein: Weiß Kip es? Hat Meg Kip erzählt, wer Thema Nr. 1 war?
Vorsichtig packe ich Bluse, Rock und
Schuhe in eine Einkaufstasche und verlasse die Wohnung, beunruhigt und verzagt.
Im Bestattungsinstitut teilt Mr.
Lorenzo mir mit, daß Schuhe unnötig seien. Mit einer Überzeugungskraft, die ihn
bereitwillig zustimmen läßt, sage ich ihm, daß er sie ihr gefälligst anziehen
soll.
Als ich das Bestattungsinstitut
verlasse, höre ich wieder das Schrillen einer Autoalarmanlage, das ich schon
bei meiner Ankunft registriert hatte. Es wird lauter, als ich die Sixth Avenue
überquere, an der Lucca vorbeikomme, das ist die Kirche an der Ecke Carmine,
und weiter über die Bleecker gehe. An der Ecke Leroy Street wütet besagte
Autoalarmanlage weiter vor sich hin. Die Sirene ist ohrenbetäubend und
nervtötend. Rings um einen blauen zweitürigen Alfa Romeo stehen Leute.
Ein kräftiger Mann in den Dreißigern,
mit buschigen Brauen und einem stechenden Blick, versetzt der Beifahrertür mit
einem gelben Arbeitsstiefel in Größe zwölf einen kräftigen Fußtritt. Von der
hier versammelten Gruppe kommt ein gemeinschaftliches Geräusch, das sich anhört
wie »Ja«, aber ich bin sicher, daß ich mich irre. Der störende Alarm hat vor
dem Tritt nicht kapituliert.
Zwei Frauen von mittlerer Statur, eine
mit pinkfarbenen Lockenwicklern im Haar, der anderen baumelt eine Zigarette von
den Lippen, tragen zwischen sich eine Mülltonne aus Metall und werfen die Tonne
auf die Motorhaube des Wagens, wo sie krachend aufprallt, abspringt und eine
große Beule zurückläßt. Diesmal bin ich sicher, daß das Geräusch »Ja« ist!
»Entschuldigen Sie«, sage ich zu einer
älteren Frau, die in ihrem geblümten Hauskleid zerbrechlich wirkt.
Sie mustert mich kurz. »Was ist?« Ihre
Stimme ist kratzig.
»Was geht hier vor?«
»Wir bringen dieses Scheißauto
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