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Immer verlasse ich dich

Immer verlasse ich dich

Titel: Immer verlasse ich dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Scoppettone
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dort stehen und weiß, daß sie sich dumm stellen
werden, wenn sie von der Polizei befragt werden.
    Niemand wird etwas wissen.
    Mein Wort wird gegen ihrer aller Wort
stehen. Wir werden vor Gericht ziehen. Es wird Tage, Wochen, Monate in Anspruch
nehmen. Der Fall wird zu den Akten gelegt werden. Ich weiß, es ist unmoralisch
und feige von mir, aber es hat keinen Zweck. Zur Polizeiwache zu gehen und zu
melden, was ich gesehen habe, wird nichts
bewirken. wird zu nichts führen. könnte mein leben in gefahr bringen. ich bin
kein vollkommener mensch. ich habe dinge zu erledigen. ein eigenes leben. es
spielt ohnehin keine rolle, der eigentümer des wagens wird die
versicherungsprämie kassieren, meine einmischung wird im günstigen fall
ergebnislos bleiben.
    Ich gehe zur Polizeiwache.

 
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     Die letzten zehn Jahre habe ich auf der Polizeiwache
damit zugebracht zu melden, was ich an der Ecke Bleecker und Leroy gesehen
habe. Als ich nach draußen gehe, wundere ich mich, das Tageslicht zu sehen. Und
noch mehr wundere ich mich, weil es nach wie vor Herbst ist.
    Hat es sich gelohnt? Vermutlich nicht.
Doch zumindest werde ich heute nacht schlafen... es sei denn, Lou und Richie
werfen eine Brandbombe auf unser Haus. Das Entmutigende an der Sache ist, daß
ich befürchte, niemand wird sich mit Lou und Richie befassen. Von den
viertausend Cops, mit denen ich geredet habe, ) schien nicht einer
interessiert an dem, was ich zu sagen hatte. Zuletzt hieß es nur, sie würden
mich zu einer Gegenüberstellung vorladen, falls sie irgendwelche Verdächtigen
hätten. Falls sie irgendwelche Verdächtigen hätten. Ich habe ihnen Namen
und Beschreibungen gegeben, aber es heißt immer noch falls.
    Zum Teufel damit. Ich verdränge es aus
meinem Kopf und gehe in Richtung Three Lives Buchladen an der Ecke Tenth Street
und Waverly Place. Es ist ein bezaubernder Laden, einem englischen Buchladen
sehr ähnlich, erbaut von Jenny und Helfern. Jill ist, genau wie ich, nicht sehr
geschickt in solchen Dingen.
    Als ich eintrete, ist der Laden
verlassen, bis auf Hilary, die Geschäftsführerin, die hinter dem Tresen
telefoniert, und Kari, die eigentlich Tänzerin ist und sich nur als Verkäuferin
verkleidet. Sie geht bald weg, auf Tournee, und wir werden sie alle vermissen.
    »Hallo«, sage ich. »Jenny oder Jill
hier?«
    »Sie sind unten zu einer Besprechung,
aber sie müßten gleich hochkommen. Kann ich helfen?« Ihr langes schwarzes Haar
ist hinter die Ohren gekämmt und wird von einer grünlich-braunen Spange
zusammengehalten, die zu ihren haselnußbraunen Augen paßt. Kari hat ein
scharfgeschnittenes, hübsches Gesicht und einen dünnen, geschmeidigen Körper.
    »Danke, Kari. Ich glaube, ich warte
lieber.« Ich weiß, daß es sich bei diesen Besprechungen gewöhnlich um
Personalprobleme dreht. Die Fluktuation ist unglaublich. Es ist schwer, vom
Gehalt einer Verkäuferin in einem Buchladen zu leben, und nur die ganz Jungen
kommen damit zurecht. Und mit den ganz Jungen handelt man sich nicht gerade
Fachkräfte ein.
    »Wie geht’s Kip?« fragt sie.
    Kari ist frisch verheiratet, deshalb
will ich sie nicht enttäuschen. »Ganz prima«, sage ich. »Wie geht’s John?«
    Ihre blasse Haut rötet sich, als
erinnere sie sich an etwas Intimes. »Ihm geht’s prima.« Sie lächelt rätselhaft
und geht davon wie der Wind.
    Ich sehe das neue Angebot an Hardcovern
durch. Nichts Verlockendes. Doch in meinem jetzigen Zustand kann mich ohnehin
nichts verlocken.
    Hilary legt den Hörer auf. »Hey,
Lauren«, sagt sie.
    Hilary ist Mitte dreißig und hat
blondes Haar, das sie wie ein Kunstwerk behandelt. Ich habe noch nie so viele
verschiedene Frisuren an nur einem Menschen gesehen. Heute reicht ihr die linke
Seite bis an die Kinnlinie, und die rechte Seite ist rasiert. Sie ist nicht auf
konventionelle Art hübsch, doch ihre tiefblauen Augen und ihre vollen Lippen
sind weich, sinnlich, manchmal verführerisch. Und selbst mit diesem Haarschnitt
sieht sie sehr attraktiv aus. Eine sanfte, reizende Frau, die Schriftstellerin
sein möchte, allerdings ihren Lebensunterhalt verdienen muß. Ich habe zwar noch
nie etwas von ihr gelesen, aber man hat mir erzählt, daß sie gut ist. Ich
glaube es.
    Sie trägt einen gestreiften Overall und
ein blaues T-Shirt. Hinter dem Tresen stehend, der sich auf einer erhöhten
Plattform befindet, sagt sie: »Tut mir leid wegen Meg, Lauren.«
    »Danke.« Wieso danke ? Das sagt
man so, ich weiß bloß nicht so

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