Immer wenn er mich berührte
wünschen.
Der perlende Champagner stand vor ihnen. Die Marke, die sie oft zusammen getrunken hatten. Jürgen hob sein Glas, Janine nahm das ihre. Sie wendeten sich zueinander, zwei fröhliche Menschen, die sich zufällig in einer Bar kennengelernt hatten …
»Ich heiße Jürgen Siebert«, stellte er sich vor. Die Etikette verlangte es von ihm. Deutlich hatte er den Namen ausgesprochen, und er beobachtete sie scharf.
Nein, der Name verriet ihr nichts. Kein Zusammenzucken, nicht die Spur einer Erinnerung.
»Ich heiße Janine Laurent«, sagte sie.
Jürgen mußte einen großen Schluck trinken, um seine Überraschung zu verbergen. Laurent – das war klar. Aber wieso Janine? Woher wußte Janine ihren richtigen Vornamen? Hatte sie nur den Familiennamen vergessen, aber den Vornamen behalten? Oder war ihr in Hypnose der Vorname eingefallen? Und wenn ja, was fiel ihr in der nächsten Sitzung ein?
»Janine – ein hübscher Name.« Lächelnd kam das von seinen Lippen. Aber in Wirklichkeit hatte ihn die Angst gepackt, das Gefühl, auf einem Pulverfaß zu sitzen.
»Jürgen paßt auch gut zu Ihnen«, antwortete sie. Es klang sehr unbefangen. Und doch war es ein Gruselspiel, was hier stattfand. Ein unheimlicher, makabrer Vorgang, wenn man bedachte, daß sie Mann und Frau waren, vor Gott und dem Gesetz ein Ehepaar …
Der Hotelportier riß ihn aus seinen Gedanken. Er trat auf sie zu. »Fräulein Laurent, Sie werden am Telefon verlangt. Kabine eins, bitte.«
Janine rutschte vom Hocker, verschwand durch die Verbindungstür, die in die Hotelhalle führte.
Jürgen umklammerte sein Glas. Wer war dieser nächtliche Anrufer? Eine Frau? Ein Mann? Bisher hatte er geglaubt, sie sei allein, er hätte es nur mit ihr zu tun. Aber plötzlich schien ihm das mehr als fragwürdig. Es konnte Menschen geben, die um ihr Schicksal wußten, die ihr halfen, ihre Vergangenheit zu finden …
»Müssen Sie jetzt gehen?« fragte er, als Janine zurückkam.
»Nein. Warum?«
»Ich dachte, der Anruf …«
Sie tat ihm nicht den Gefallen, über den Anrufer irgend etwas zu sagen. Aber sie tat ihm einen anderen Gefallen: sie trank weiter. Und Jürgen wußte, daß sie nicht sehr viel vertrug. Alkohol stieg ihr schnell zu Kopf.
Als die beiden Männer am anderen Ende der Bartheke ihre Rechnung verlangten, griff Jürgen leise nach Janines Hand: »So wollen wir doch diesen netten Abend nicht beschließen. Wozu hat München ein Nachtleben? Gehen wir irgendwohin, wo es lustiger ist, wo man tanzen kann …«
»Ich möchte nicht mehr«, wehrte Janine ab. »Ich wohne hier im Hotel, und es ist schon spät.«
»Und wenn ich Sie sehr darum bitte, Janine?«
Er sah, daß sie zögerte. Das mit dem Tanzen hatte er nicht absichtslos gesagt. Er wußte, daß sie immer gern getanzt hatte. Nächte hindurch, wenn es sein mußte …
Es fiel ihm nicht sehr schwer, sie zu überreden. Als er ihr in den Mantel half, war er fast ein bißchen zufrieden mit sich. Ich bin nun mal dein Typ, Janine, dachte er.
Heute brauchte er kein Taxi. Gaby war zu ihrem Schneider nach Paris geflogen und hatte ihm ihren Wagen zur Verfügung gestellt. Jürgen hatte ihn ganz in der Nähe geparkt.
Der sündhaft teure, knallrote Sportwagen erinnerte ihn geradezu schmerzlich an die Besitzerin. Gaby, redete er in Gedanken mit ihr, wenn du wüßtest, wie ich dich liebe, wenn du wüßtest, wie wenig mir diese Frau da neben mir bedeutet. Ich hasse sie, Gaby, du hast fertiggebracht, daß ich sie hasse …
Nur das dumpfe Motorengeräusch verwischte die Stille im Wagen. Nein, Janine, dachte er, du bist nicht mehr mein Typ. Ich habe nicht mal mehr Mitleid mit dir. Nur Angst, daß du alles zunichte machen könntest …
»Wo fahren Sie denn hin?« fragte Janine.
»Zur ›Hütte‹«, antwortete er. »Dort sind immer nette Leute.«
Das war gelogen. Die ›Hütte‹ war kein besonders renommiertes Lokal. Aber sie hatte den Vorteil, abseits zu liegen. Dort würde er jedenfalls keine Bekannten treffen. Denn er mußte um jeden Preis verhindern, gesehen zu werden.
Jürgen parkte auf der gegenüberliegenden Straßenseite, wo keine Häuser waren, sondern nur ein paar alte Bäume.
Es war eine dunkle Nacht; es mußte Neumond sein. Die Scheinwerfer eines Autos tauchten auf und verschwanden wieder.
Janine war ausgestiegen und allein die paar Schritte bis zu dem eisernen Geländer vorangegangen. Deutlich sah er ihre blonden, vom Wind etwas zerzausten Haare.
Jürgen sperrte den Wagen ab, trat neben sie, legte
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