Immer wenn er mich berührte
bleiben, eine Woche im Sanssouci. Er mußte sie dort 'rausholen, sofort, sie mußte ausziehen, woanders wohnen.
»In dieser Beziehung kann ich für dich etwas tun, Evi«, versicherte er. »Ich mache neuerdings die Werbung von Westphal-Mode. Dorthin werde ich dich als Starmodell verkaufen. Da gibt es das Dreifache pro Arbeitstag – würde dir das schmecken?«
»Ach, Jürgen, das wäre himmlisch!«
»Du wirst sehen, das klappt«, fuhr er fort. »Aber tu mir den Gefallen und ziehe hierher in den Bayerischen Hof. Weißt du, ein Starmodell braucht die richtige Adresse, das gehört nun mal zur Branche.«
»Mhm«, lächelte Evi. »Die richtige Adresse, ich verstehe, Jürgen …«
Nichts verstehst du, dachte Jürgen wütend, falls du etwa glaubst, ich möchte dich hier haben, weil ich auch hier wohne, nee, nee! Es ist mir im Grunde egal, wo du wohnst, nur nicht im Sanssouci, auf keinen Fall im Sanssouci …
»Wir holen deine Koffer«, sagte er.
Eine halbe Stunde später fuhren sie zum Sanssouci. Er wagte es nicht, sie noch einmal allein dorthin zu schicken.
Dieser schreckliche Kerl von einem Portier erkannte ihn leider sofort wieder.
»Guten Tag, Herr Siebert«, sagte er.
Evi drehte sich überrascht nach ihm um. »Ich dachte, du kennst das Hotel gar nicht?«
»Doch ja«, gab er zu. »Ich habe hier auch mal gewohnt. Nur den Namen hatte ich vergessen.«
Diese Panne war noch nicht so schlimm. Wenn nur jetzt Janine nicht auftauchte, wenn sie nur jetzt nicht aus dem Lift kam …
Er hatte keine Lust, in der Hotelhalle zu warten, bis Evi ihre Klamotten zusammengepackt hatte. Er fuhr mit hoch in ihr Zimmer, unglückseligerweise auch im ersten Stock.
Sie mußten an Zimmer 5 vorbeilaufen. Seine Handflächen waren klatschnaß vor Angst. Jeder Schritt, der irgendwo zu hören war, ließ ihn zusammenfahren. Endlich schloß Evi ihr Zimmer auf. Und dann machte sie auch noch auf Liebe. Sie legte ihm die Arme um den Hals und küßte ihn.
»Dich habe ich immer noch nicht vergessen«, sagte sie.
Er aber wollte nichts wie hier raus. Evi interessierte ihn in keiner Weise mehr. Er half ihr beim Kofferpacken – nur, damit es schneller ging.
Evi sah ihn mit ihren Katzenaugen an. »Hast du die Sache mit deiner Frau jetzt überwunden?«
»Ja«, antwortete er gequält.
Jürgen gab ihr Geld für die Zimmerrechnung. Und er atmete erst auf, als sie im Freien standen und in das wartende Taxi stiegen.
Im Bayerischen Hof nahm er für sie ein hübsches Zimmer im dritten Stock.
»Siehst du«, sagte er, als der Pikkolo ihren Koffer vor ihnen hertrug, »so wohnt ein Starmodell.«
»Du bist ein Schatz, Jürgen. Sehen wir uns heute abend noch mal?«
»Bei mir wird es spät werden«, wich er aus.
Evi küßte ihn auf die Wange und flüsterte dabei: »Ich schließe die Tür nicht ab, Jürgen.«
Er rang sich ein Grinsen ab. Und dachte: Du liebe Zeit, ich habe andere Sorgen. Ich habe ganz andere Sorgen …
Wie ein Verbrecher immer wieder an seinen Tatort zurückkehren muß – so trieb es Jürgen an diesem Abend noch einmal zum Sanssouci. Von der gegenüberliegenden Straßenseite aus beobachtete er das Fenster, das zum Zimmer 5 gehörte.
Der Lichtschein verriet ihm, daß Janine im Zimmer war.
Die Geschichte mit Evi wäre um ein Haar schiefgegangen. Ein Zufall, aber konnte sich so ein Zufall nicht jeden Tag, jede Stunde wiederholen? Mußte er sich nicht geradezu wiederholen?
In München hatten er und Janine zwei Jahre gewohnt. Es gab frühere Nachbarn, die sie sofort wiedererkennen würden, Freunde, die Milchfrau von der Ecke, der Briefträger, die Mädchen vom Reisebüro, wo Janine gearbeitet hatte …
Die ganze Stadt schien ihm plötzlich voller vertrauter Gesichter zu sein. Wie sollte er sie abschirmen, wie weitere Begegnungen verhindern?
Und wenn sie hundertmal verrückt war, und wenn sie in die Heilanstalt kam, was nützte es ihm, wenn sie vorher als Janine Siebert identifiziert wurde? Dann war er wieder verheiratet und konnte kein zweites Mal heiraten …
Wie das Gaby erklären?
Nein, dachte er, es muß einen anderen Weg geben. Ich muß einen anderen Weg finden. Koste es mich, was es wolle.
Als im Zimmer 5 das Licht ausging, sah er auf seine Armbanduhr.
Es war zwanzig Minuten nach neun.
Sie hat sich schlafen gelegt, dachte er. Aber er hatte sich getäuscht. Als er ein paar Minuten später die kleine Bar des Sanssouci betrat, saß sie auf einem der Barhocker. Sie hatte ihre Beine übereinander geschlagen und trug das gleiche
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