Immer wenn er mich berührte
nach Speck und scharf Gebratenem, und alle Gesichter ringsum waren gerötet vom Dalmatiner.
An manchen Tischen wurde gesungen, und für Janine spielte der Zigeunerprimas einen heißen Csardas. Für eine Lage Aprikosenschnaps, versteht sich.
Jürgen hielt Janines Hand in der seinen, er sah ihr leuchtendes, lachendes Gesicht. Für Sekunden erstand vor ihm noch einmal die Szene am Bahndamm heute mittag.
Er sah über die Köpfe der Gäste hinweg auf die Uhr, die über dem Kamin an der Wand hing und tickte und tickte. Sicherlich hörte das Ticken niemand außer ihm, und niemand außer ihm beobachtete das Vorrücken des Zeigers. Verspäte dich nicht, hatte Gaby gesagt.
Der Rotwein stieg ihm in den Kopf, aber er vergaß trotzdem die Uhr nicht.
Kurz vor halb zehn strich er die blonde Strähne aus Janines Stirn.
»Bist du schon sehr müde?« fragte er zärtlich.
»Nein, gar nicht. Dieser Dalmatiner schläfert einen nicht ein, der weckt einen auf …«
»Weißt du, worauf ich Lust habe? Auf einen Cocktail bei Heinz. Und auf ein schönes Bartrio. Diese Zigeunermusik ist ein bißchen wie Sirup – man kriegt leicht zuviel, geht's dir auch so?«
Er winkte dem Kellner, bezahlte.
Draußen an der frischen Luft legte er Janine den Arm um die Schulter.
»Ach du – mit dir möchte ich die ganze Nacht bummeln.«
Sie lachte. Sie war so lustig wie noch nie. »Tu's doch!«
»Na warte.« Durch den aufspritzenden Matsch fuhren sie hinaus auf die Straße. Zehn nach halb zehn zeigten die Leuchtziffern der Uhr auf dem Armaturenbrett.
Ich bin pünktlich, dachte Jürgen zufrieden.
»Wo ist die Bar, in die wir wollen?« erkundigte sich Janine.
»Im Zentrum. Aber wir werden nicht dorthin fahren, meine Kleine, du wirst schon sehen …«
Da vorne war die Schranke. Er verlangsamte das Tempo, drückte, wie verabredet, dreimal auf die Lichthupe.
Da riß der Scheinwerfer schon eine Gestalt aus der Nacht, ein Mädchen in Kopftuch und schwarzem Lackmantel, das aufgeregt winkte.
Jürgen trat auf die Bremsen, daß sie quietschten. Der Wagen hielt. Er kurbelte das Seitenfenster herunter.
Ein Gesicht tauchte auf. Gabys Gesicht.
»Hallo«, sagte Jürgen, »ist was los bei Ihnen?«
Durch nichts verrieten sie, daß sie sich kannten.
»Ich bin hier hängengeblieben, mein Wagen springt nicht mehr an.«
»Na, dann lassen Sie mich mal nachsehen.« Jürgen stieg aus. Ein paar Meter vor ihnen stand ein VW am Straßenrand.
»Benzin haben Sie drin?«
»Was denken Sie, eben aufgetankt. Ob es die Zündung ist?«
»Leider bin ich auch kein Mechaniker.«
Er stieg in das Auto, betätigte den Anlasser, ließ ihn ein paarmal aufheulen. Dann machte er sich an der Motorhaube zu schaffen.
»Ach«, sagte das Mädchen, »nehmen Sie mich mit in die Stadt. Ich lasse ihn morgen früh abschleppen.«
»Aber wir müssen ihn mehr auf die Seite schieben, mein Fräulein, sonst knallt im Dunkeln einer drauf.«
Nun stieg auch Janine aus. »Kann ich schieben helfen?«
Zu dritt schafften sie das Fahrzeug auf den Rand der Böschung.
»Das ist nett von Ihnen«, sagte die junge Dame im Lackmantel. »Hoffentlich habe ich Sie nicht zu sehr aufgehalten.«
»Gar nicht. Dürfen wir uns übrigens bekannt machen – Jürgen Siebert, das ist Fräulein Laurent …«
»Westphal.«
Sie gaben sich die Hand.
»Ich wohne ganz in der Nähe«, sagte Gaby Westphal, als sie sich neben Janine auf den Vordersitz klemmte. Und ein paar Straßen weiter: »Hier dürfen Sie mich 'rauslassen. Den Rest gehe ich zu Fuß.«
»Nein, wir fahren Sie schon bis vor Ihr Haus.«
Die weißen Mauern tauchten auf, die dunklen Säulen der Thujen, hinter denen man das Haus nur ahnte.
Jürgen hielt.
Gaby Westphal sah zuerst ihn an und dann Janine. »Wollen Sie nicht schnell auf einen Whisky zu mir 'reinkommen? Das heißt, wenn Sie Lust haben. Ich würde mich freuen.«
Jürgen zögerte ein wenig. »Was meinst du, Liebling? Könnten wir eigentlich.«
Janine nickte. »Ja, gern.«
Im Nachbargarten bellte ein Hund. Groß und unbeleuchtet lag das Haus vor ihnen, umgeben von Schatten und nassem Schnee.
»Fürchten Sie sich nicht«, sagte Gaby und schloß auf. »Ich bin ganz allein. Paps ist verreist und das Personal hat Ausgang.«
Wenn Janine jetzt nach Jürgens Hand gegriffen hätte, wäre ihr aufgefallen, daß diese Hand eiskalt war.
Hintereinander gingen sie ins Haus. Und die Tür fiel hinter ihnen zu.
Vom Flughafen Tempelhof aus telefonierte Dr. Stephan Haller noch einmal mit der
Weitere Kostenlose Bücher