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Immer wenn er mich berührte

Immer wenn er mich berührte

Titel: Immer wenn er mich berührte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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viele Bücher – mein Gott, war das die Welt, in der Janine gelebt hatte? War sie hier in der Küche gestanden? In diesem Schaukelstuhl gesessen? Diese weißhaarige Frau Ulisch – gehörte die zu ihrer Vergangenheit?
    »Wie lange haben Sie denn Frau Siebert nicht mehr gesehen?« fragte die Putzfrau.
    »Viele Jahre. Sie wissen ja, wie das ist im Leben, man verliert sich aus den Augen, und wenn man dann doch einmal kommt, dann gibt es den Menschen gar nicht mehr …«
    Diese Worte taten ihre Wirkung.
    »Warten Sie einen Moment, Herr Doktor, ich glaube, im Wäscheschrank liegt das Fotoalbum, da sind viele Bilder von ihr drin.«
    Genauso war es. In diesem Album sah er sie hundertmal, schwarzweiß, farbig, von vorne, von der Seite, im Mantel, im Bikini, lachend, ernst … immer die gleiche Person, seine Janine.
    Auf Glanzpapier bekam er hier ihre Vergangenheit serviert. Er verstand immer noch sehr vieles nicht, nur eines war ihm jetzt klar: der Totenschein war falsch. Janine Siebert lebte.
    In einem unbeobachteten Augenblick riß er ein Bild aus dem Album und ließ es in der Tasche verschwinden. Nur die leere Unterschrift blieb zurück: Jürgen und Janine, Ostern 1962, Markusplatz Venedig.
    Plötzlich hatte er es eilig. Er wollte heute noch nach München zurück. Gleich um die Ecke fand er ein Taxi, das ihn nach Tempelhof brachte.
    Aber mit dem Fliegen sah es schlecht aus.
    »Ich kann Sie nur auf die Warteliste setzen, Herr Doktor.«
    »Ja bitte«, sagte er ungeduldig.
    Die Fotografie, die er aus dem Album gelöst hatte, war sehr scharf und deutlich. Noch besser als Janine war darauf ihr Mann zu erkennen.
    Deshalb hatte er dieses Bild gewählt. Ob Janine ihn darauf erkannte? Ob der Vorhang endlich riß?
    Als Janine ins Hotel zurückkam, blieb sie beim Portier zögernd stehen.
    »Ein Anruf für mich?«
    »Nein, Fräulein Laurent.«
    Sie schämte sich, daß sie bei dieser Auskunft so etwas wie Erleichterung empfand. Stephan hat noch nicht angerufen, dachte sie. Also ist er noch nicht zurück …
    Ihr Zimmer empfing sie kahl und aufgeräumt – ein Hotelzimmer, in dem man es nie schaffte, sich zu Hause zu fühlen. Auch wenn man wochenlang darin wohnte, roch es immer noch nach fremden Leuten.
    Sie ließ sich im Mantel auf das Bett fallen.
    Wie immer, wenn sie sich von Jürgen verabschiedet hatte, überfiel sie eine Welle der Erschöpfung. In seiner Gegenwart gab es keine Probleme – aber nun war er weg, und alle Zweifel und Fragen, alle Schatten kamen zurück.
    Sie schloß die Augen, dachte an ihn, an seine Küsse, seine Worte, sein Gesicht, das sich über sie neigte. Merkwürdig, wie weit er auf einmal fort war, so, als habe sie das alles nur geträumt.
    Und Stephan. Stephan, der morgen spätestens zurückkommen und übermorgen mit ihr ins Gebirge fahren wollte.
    Sie fürchtete sich davor, daß das Telefon läuten und sie seine Stimme hören würde.
    Ich hole dich am Samstag nach dem Frühstück ab, Janine … Er sagte nie Liebling. Er hatte sie noch nie so angesehen wie Jürgen. Aber er hatte einmal zu ihr gesagt: Laß uns miteinander ein neues Leben anfangen, Janine. Und sie hatte geantwortet: Stephan, solange ich meine Vergangenheit nicht kenne, habe ich kein Recht darauf …
    Wenn sie ihn morgen oder übermorgen traf, mußte sie ihm sagen, daß sich alles geändert hatte. Ich habe ein neues Leben begonnen, Stephan. Aber nicht mit dir. Mit Jürgen Siebert. Meine Vergangenheit ist nicht mehr so wichtig. Ich kann nichts dafür, Stephan, Verzeih mir!
    Wie lächerlich das klang, wenn sie es sich jetzt aufsagte. Wie lächerlich es erst klingen würde, wenn ihr Stephan gegenüberstand, wenn er sie mit seinen ruhigen Augen dabei ansah.
    Der einzige Mensch, der ihr etwas bedeutet hatte. Der Fels, an den sie sich geklammert hatte von der ersten Stunde an, damals, in dem staubigen Zelt in Marres. Er war ihr immer so nahe gewesen, so vertraut. Sie konnte sich auf ihn verlassen. Und nun hatte sie auf einmal Angst vor ihm.
    Das Telefon schrillte. Sie ließ es läuten, zweimal, dreimal, dann nahm sie mit unsicherer Hand den Hörer ab.
    »Liebling?« Jürgens Stimme klang gutgelaunt und fröhlich. »Ich bin fertig mit der Arbeit. Das Drehbuch ist geändert, und ich habe einen fürchterlichen Hunger. Wie wär's mit einem Paprikagulasch in der Pusztatenne? Nimm ein Taxi und komm 'raus!«
    » Pusztatenne, wo ist das?«
    »Hinter Grünwald. Der Taxichauffeur weiß es schon.«
    »Ich komme …«
    Die Pusztatenne war dunkel und laut, roch

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