Immer wenn er mich berührte
um Ihr erstes Opfer, am 7. Dezember. Sie haben behauptet, das Mädchen ein Stück in Ihrem Lastwagen mitgenommen zu haben …«
Silewski nickte.
»Sie war das einzige Opfer, mit dem Sie vorher gesprochen haben. Sie hat Ihnen erzählt, daß sie ganz allein sei, die letzte Nacht im Obdachlosenasyl zugebracht habe.«
Silewski nickte wieder.
Inspektor Sasse zog aus seiner Schublade zwei Fotografien heraus und legte sie nebeneinander auf seinen Schreibtisch.
»Sehen Sie sich diese Bilder mal an. Welches von beiden war das Mädchen?«
Silewski deutete ohne zu zögern auf das linke Foto.
Der Inspektor warf seinem Kollegen einen bedeutungsvollen Blick zu. »Sie haben sich an den Namen nicht mehr erinnern können … Gerlinde Hoffmeister … könnte das der Name gewesen sein?«
»Ja«, sagte Silewski schnell, »so hat sie geheißen. Jetzt, wo Sie es sagen, fällt es mir auch wieder ein.«
Die Vernehmung war damit zu Ende. Zwei Uniformierte brachten Silewski in seine Zelle zurück.
Sasse rannte ins Chefzimmer vor. Ohne anzuklopfen, trat er beim Kriminalrat ein.
»Und?« fragte Kriminalrat Steinberg gespannt.
»Wir müssen das Grab öffnen lassen. Aber ich bin jetzt schon überzeugt, daß Gerlinde Hoffmeister drin liegt. Dieser komische Herr Siebert hat sich eine gewisse Ähnlichkeit zunutze gemacht und kaltblütig die Falsche identifiziert. Damit hatte er vor der Polizei Ruhe …«
»Und wo ist dann Janine Siebert?« fragte der Kriminalrat.
»Das möchte ich auch gern wissen«, antwortete Sasse. »Ich fürchte …«
»Ich fürchte auch«, sagte der Kriminalrat. »Nun, wir wollen mal sehen, was der Ehemann zu sagen hat.«
»Leider befindet er sich zur Zeit auf Geschäftsreise. Wann er zurückkommt, ist laut Auskunft seines Büros unbestimmt. Er soll in München sein, wo er sich angeblich bald wieder verheiraten will.«
Kriminalrat Steinberg stand auf. »Schicken Sie ein Fernschreiben nach München. Die sollen ihn vorläufig festnehmen. Ich denke, der Untersuchungsrichter wird den Haftbefehl ausstellen.«
Inspektor Sasse verließ das Zimmer seines Chefs und begab sich unmittelbar in die Nachrichtenzentrale.
Das Verbrechen, das er vermutete, war noch nicht begangen. Aber der Mörder war bereits mit seinem Opfer unterwegs …
Der Himmel war föhnblau, auf den Bäumen und Hausdächern schmolz der Schnee im buttergelben Sonnenschein. Unter den Autoreifen spritzte das Wasser weg. Es roch nach nassem Gras und nach Krokussen und Veilchen, die bald kommen würden. Es war ein Morgen zum Verlieben.
Janine saß neben Jürgen in dem roten Sportwagen und sah die ganze Herrlichkeit kaum. Sie interessierte sich nur für ihn: für den Ton seiner Stimme, für sein Lächeln, seine zärtlichen Seitenblicke, für seine Hände, die ruhig und völlig gelassen auf dem Lenkrad lagen.
Wie lange hält er das aus, dachte sie. Wann endlich drücken ihm all die Lügen die Luft ab. Wann endlich fällt die Larve von seinem Gesicht und der wahre Jürgen kommt zum Vorschein. Der, den ich nicht kenne. Der, den ich hasse …
»Wohin fahren wir eigentlich?« erkundigte sie sich.
»Das ist eine Überraschung, Liebling«, sagte Jürgen.
Eine Überraschung. Janine holte aus der Handtasche ihre Sonnenbrille und setzte sie auf. Wieviel Überraschungen denn noch. Die von heute nacht genügen eigentlich. Aber die, die ich für dich habe, Jürgen, ist auch nicht schlecht.
Sie fuhren durch ein Dorf, in dem die Glocken läuteten.
»Ach du meine Güte«, sagte Jürgen und trat auf die Bremsen. Vor ihnen kam aus dem Friedhof eine Beerdigungsgesellschaft, der Pfarrer unterm schwarzen Baldachin, die Trauergäste, lauter schwarze Krähen im Schnee.
Sie wußte, daß er Beerdigungen haßte, daß er nicht gern vom Tod sprach, daß er Trauerzügen auswich und abergläubische Bange vor Leichenautos hatte. Früher, da hatte sie manchmal darüber gelacht.
»Wo ist eigentlich deine Frau beerdigt?« fragte sie und lehnte sich zurück, ohne ihn aus dem Auge zu lassen.
»Meine Frau?« er drückte aufs Gas, als könnte er nicht eilig genug aus diesem traurigen Dorf fortkommen. »Meine Frau liegt im Heidefriedhof in Mariendorf.«
Wie schnell ihm immer eine Antwort einfiel, eine Lüge, ohne daß sein Gesicht etwas verriet …
»Wie hat sie eigentlich mit Vornamen geheißen?« fragte sie rasch.
Seine Hände schlossen sich hart um das Steuerrad.
»Anna«, sagte er sehr laut. »Anna hat sie geheißen.«
»Anna Siebert«, wiederholte Janine.
Jürgen wandte den
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