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Immer wieder Dezember: Der Westen, die Stasi, der Onkel und ich (German Edition)

Immer wieder Dezember: Der Westen, die Stasi, der Onkel und ich (German Edition)

Titel: Immer wieder Dezember: Der Westen, die Stasi, der Onkel und ich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Schädlich
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war. Da gab es Aussprachen mit dem Onkel vor der Parteileitung, er sollte erklären, wie er zu den Veröffentlichungen und Äußerungen des Vaters stehe. Aber er hatte nicht darüber berichtet, dass sein Führungsoffizier ihm gesagt hatte, niemand verlange eine persönliche Distanzierung von seinem Bruder, »zu dem, was sein Bruder geschrieben hat, muß er jedoch eine klare parteiliche Position einnehmen«.
    Uns sagte der Onkel, die erste Runde sei an ihn gegangen. Dem Führungsoffizier gegenüber gab er zu bedenken, ob es nicht doch besser sei, wenn ihm die Vertrauensfrage gestellt würde, das heißt, dass er aus der Partei austrete. »Er könnte diesen Schritt damit begründen, daß durch die eingetretene Situation die Partei Zweifel an seiner Haltung haben kann und es ihm tatsächlich schwer fällt, in allen Fragen die Parteidisziplin einzuhalten.«
    Nicht nur Hirte, nicht nur Wolf im Schafspelz, auch schlauer Fuchs.
    In jener Zeit kam nämlich das Gerücht auf, dass der Onkel für die Staatssicherheit arbeite.
    Wieder ein Telefonat, ganz im Vertrauen sozusagen:
    Der Onkel: Hallo, hier ist der Stasi-Schädlich.
    Der Vater: Na, du bist ja gut!
    Der Onkel: Mal ehrlich, es geht das Gerücht, dass ich bei der Stasi bin.
    Der Vater: Es wird doch alles mögliche behauptet. Das ist doch lächerlich, sich in deinem Fall überhaupt damit zu beschäftigen.
    Der Onkel: Mich belastet so was.
    Der Vater: Es ist doch niemand davor geschützt, in solche Gerüchte verwickelt zu werden. Mickel hat damals Sarah vor mir gewarnt. Ich sollte einer von der Truppe sein. Ich musste darüber lachen, eine Weile war ich auch darüber empört.
    Der Onkel: Ich war weder empört noch habe ich gelacht. Ich war verletzt und betroffen.
    Und ich lese: »Der IM hat auftragsgemäß mit Schlesinger darüber gesprochen, daß es Gerüchte über Verbindungen des IM zum MfS gibt. Schlesinger habe beteuert, daß es sich hierbei um sehr lange zurückliegende Vermutungen handelt, die offensichtlich durch Havemann geschürt worden seien. […] Für Schlesinger, Bettina Wegner und ihre Freunde sei die Sache ausgestanden und niemand glaube ernsthaft daran, dass der IM mit dem MfS Kontakt hält.«
    Und so wurde er weiter eingeladen. Auch am 7. November 1977 zur Geburtstagsparty von Bettina Wegner. Es war ein rauschendes Fest, man bemühte sich besonders um den gescholtenen Onkel. Die Mutter sagte, die schikanöse Behandlung sei Grund genug, seinen Austritt aus der Partei zu erklären. Er solle sich keine Sorgen machen. Sie stünden zu ihm, alle.
    Er tat unbefleckt, aufrichtig, unschuldig.
    So stand er auch nach dem Parteiausschluss da, zu dem es wirklich kam, als wir schon im Westen waren, und er uns am Telefon von all den Schwierigkeiten erzählte, die er habe, seit unserer Ausreise. Das war vor den Kulissen. Und dahinter? Der Parteiausschluss »würde nach Meinung des IM sich auch positiv auf die Zusammenarbeit mit dem MfS auswirken. So konnte er z.B. feststellen, daß seine Beziehung, seit bekannt wurde, dass man sich parteilich mit ihm auseinandersetzt, zu Wegner und Schlesinger bedeutend besser geworden sind.«

7
    Ich blättere in den Akten, lese, blättere zurück. Im Arbeitszimmer auf dem Fußboden, auf dem Schreibtisch, im Wohnzimmer auf dem Sofatisch, auf dem Sofa, überall graue Ordner. Selbst im Schlafzimmer liegen sie, manche aufgeschlagen, manche geschlossen bis zum nächsten Blick. Gelbe Haftzettel ragen heraus, damit ich mich nicht verzettele. Es ist ein Kampf, nicht nur mit den Akten, sondern auch ein Kampf mit der Sprache, dem Duktus, dem ich mich widersetzen muss. Von wegen, Papier kann einem nichts antun. Es ist die Reduzierung der Personen auf die Sache, die mir zu schaffen macht. Als sei es nie um Schicksale gegangen, sondern um Dinge. Um zu erledigende Dinge.
    Ereignisse unseres Lebens, die so aufgeschrieben wurden, als sei über etwas geschrieben worden. Wenn das Fremde lesen, Jüngere, Unwissende, oder auch solche, die es nicht anders sehen wollen, hat es fast nichts Erschreckendes. Kein Wunder also, dass es immer wieder heißt, war doch alles halb so schlimm, den Leuten ging es gut, die DDR war doch eher eine »kommode Diktatur«, in der man sich einrichten konnte. Diejenigen aber, die das Wort in die Tat zurückübersetzen können, denen sitzt der Schrecken nochmals in den Gliedern.
    Ich tue mich schwer bei dem Gedanken, dass die, die dahinterstecken, mit dem, was sie getan haben, ruhig schlafen können.
    Hätte aus dem Onkel etwas

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