Immer wieder du: Roman (German Edition)
verkommen lassen.«
»Ich weiß nicht, warum ich überhaupt zu dir ins Auto gestiegen bin«, sage ich düster, als wir Crafers verlassen und an einem Schild vorbeikommen, das auf Koalas aufmerksam macht. »Dich stört es offensichtlich nicht, wen oder was du umbringst.«
»He …«, warnt er.
»Im Ernst, hast du dich nie gefragt, wie es wohl wäre, ein Kind zu überfahren?«
»Halt’s Maul!«, sagt er böse.
»Du würdest es nie mehr vergessen. Du würdest nie darüber hinwegkommen. Es würde dein Leben zerstören. Nur weil du ein Bier zu viel getrunken hast, das deine Reflexe verzögert.«
»Ich mein’s ernst, Lily. Halt – den – Mund!« Wir bleiben vor dem Haus stehen.
»Was meinst du wohl, was deine Mum dazu sagen würde?« Meine Stimme ist absolut ruhig, aber er ist zu schockiert, um zu sprechen. »Meinst du, sie wäre traurig? Enttäuscht?«
»Das reicht jetzt.«
»Meinst du, sie wäre stolz auf ihren Sohn?«
»VERSCHWINDE VERDAMMT Nochmal AUS MEINEM WAGEN!«, raunzt er mich an und langt über mich hinweg, um die Beifahrertür zu öffnen. Er schiebt mich hinaus, ich stürze auf den Bürgersteig.
»Josh!«, brülle ich.
Aber er knallt mir die Tür vor der Nase zu. Dann lässt er den Motor aufheulen und entfernt sich mit quietschenden Reifen von der Bordsteinkante. Entsetzt starre ich ihm nach. Was habe ich getan? O nein, er soll sich nicht umbringen! Aber so plötzlich er angefahren ist, hält er wieder an. Er tritt so heftig auf die Bremse, dass die Reifen beinahe qualmen. Ich renne zu ihm hin und reiße die Tür auf. Er hat den Kopf aufs Lenkrad gelegt und heult sich die Augen aus. Ich kann es kaum glauben, steige rasch ein, schließe die Tür und lege ihm die Hand auf den Rücken. Er schüttelt mich ab, aber nur halbherzig, daher streichle ich ihn besänftigend weiter.
»Tut mir leid«, flüstere ich. »Tut mir wirklich echt leid.«
Er weint noch heftiger. Ich glaube, ich habe noch nie einen Jungen weinen sehen. Dan hatte Tränen im Auge, als ich ihn vorigen Sommer in Eiskalte Engel schleifte, aber das ist wohl kaum dasselbe. Ich habe keine Ahnung, was man in so einer Situation macht.
»Entschuldigung, dass ich das alles gesagt habe«, versuche ich es, als sein Schluchzen leiser wird. »Ich hätte den Mund halten sollen.«
Tränenüberströmt schüttelt er den Kopf. »Nein, ist schon okay. Sie wäre so sauer gewesen.«
»Warum machst du es dann?«
»Ich weiß nicht.«
»Hat Michael dir nicht gesagt, du sollst damit aufhören?«
»Der ist zu sehr mit deiner Mum beschäftigt und merkt nicht, was ich treibe.«
»Das stimmt nicht. Er liebt dich über alles. Das sieht doch jeder.«
Josh antwortet nicht. Im Grunde seines Herzens weiß er, dass es stimmt.
»Von jetzt an kannst du es ja anders machen«, sage ich. »Dann wirst du nie mit einem furchtbaren Fehler leben müssen.«
»Oder nicht leben.« Er bringt ein schwaches Lächeln zustande.
»Dein Dad wäre am Boden zerstört, wenn er dich auch noch verlieren würde. Davon würde er sich nie erholen.«
Josh nickt traurig. »Ich weiß.«
»Na bitte. Ab sofort Taxis?« Ich schenke ihm ein hoffnungsvolles Lächeln, das er matt erwidert.
»Vielleicht.«
»Sie wäre wirklich stolz auf dich!«
»Sag das nicht«, warnt er mich. »Sonst fang ich wieder an zu heulen.« Und wie auf ein Stichwort füllen sich seine Augen erneut mit Tränen. Wütend wischt er sie ab. »Verrate bloß Shane nichts davon!«
Ich lache beleidigt. »Als ob ich das tun würde!«
»Nicht einmal, wenn du dich im Bett an ihn kuschelst.«
Ich hebe die Hand, um ihm auf den Rücken zu schlagen, aber er lacht und legt einen Gang ein. »War ein Witz. Ich werde Shane sagen, dass du tabu bist«, sagt er, wendet den Wagen und fährt vor das Haus.
Ich seufze erleichtert. »Das wäre gut. Mein Leben ist nämlich gerade kompliziert genug.«
Theatralisch atmet er aus und grinst mich schelmisch an. »Selbst ich werde nicht in der Lage sein, dich rumzukriegen, nachdem du mich wie ein kleines Kind hast heulen sehen.«
»Du hättest mich sowieso nicht rumgekriegt, Schätzchen«, sage ich sanft. »Du bist nicht mein Typ.«
Wir lachen beide und steigen aus dem Wagen. Der Frieden ist wiederhergestellt.
Kapitel 10
»Ich komme durchaus allein mit Josh klar«, ist das Erste, was ich zu Ben sage, als ich ihn am nächsten Morgen sehe.
»Du hast ausgesehen, als wolltest du nachgeben«, erwidert er aufgebracht. Wir sprechen von dem Streit gestern Abend mit Josh beim
Weitere Kostenlose Bücher