Immer wieder Lust auf dich
heißt Carmens Mann, kennen und heiratete ihn ein halbes Jahr später.”
“Also hast du dich doch endlich von Dad trennen können?”
Sie antwortete ihm nicht gleich und sah auf ihre gefalteten Hände im Schoß, als sie sagte: “Dein Vater wurde bei einem Verkehrsunfall getötet. Er hatte auf dem Beifahrersitz gesessen. Ein Laster war ihnen in die Seite gefahren. Dein Vater und sein Kollege waren gerade auf dem Weg nach Hause. Es kam zur Anklage. Die Familienangehörigen der Opfer bekamen eine Entschädigung.”
Rafe fühlte sich plötzlich innerlich wie leer. Die Nachricht hatte ihn so überrascht, dass er wie vor den Kopf gestoßen war. “Wann ist das passiert?”
“Vor zehn Jahren, im Mai.”
Sein Vater war also gestorben, als Rafe zwanzig Jahre alt gewesen war. Das war die nackte Wahrheit. Er war gestorben, während Rafe in Europa war und immer nur mit Hassgefühlen an ihn hatte denken können. Diesen Hass hatte Rafe all die Jahre mit sich herumgetragen, während der Mann, dem er so viel verübelte, schon lange nicht mehr am Leben war.
Und dieser Hass hatte ihn davon abgehalten, seine Mutter und seine Schwestern zu suchen. “Dann seid ihr also kurz nach meinem Verschwinden weggezogen.”
Sie nickte. “Ein Jahr später.” Wieder sah sie auf ihre Hände. “Dein Vater veränderte sich sehr, nachdem du gegangen warst. Er wusste, dass er im Unrecht gewesen war, aber wenn er getrunken hatte, war er nicht mehr er selbst.” Sie schwieg einen Moment lang, als versuchte sie sich noch einmal ganz genau zu erinnern. “Nachdem du weg warst, wurde er sehr schweigsam und in sich gekehrt, so als wenn ihm auf einmal alles gleichgültig geworden wäre.”
“Und ihr seid noch oft umgezogen.”
“Ja. Er war immer noch sehr rastlos.”
“Und wahrscheinlich verlor er auch regelmäßig seinen Arbeitsplatz.”
Ihre schwarzen Augen wurden feucht. “Ich habe damals versucht, dich zu finden. Aber ich wusste nicht, wie.”
“Hast du nie daran gedacht, dich bei den Schulen zu erkundigen? Ich musste mich dort zurückmelden, um mich einschreiben zu können. Ich war immer davon ausgegangen, dass ihr wusstet, wo ich war, dass es euch aber gleichgültig gewesen wäre.”
Sie schrie leise auf. “Oh, Raphael! Nein, ich bin nicht auf die Idee gekommen, bei den Schulen anzurufen. Aber ich frage mich, warum sie uns nie benachrichtigt haben?”
“Wahrscheinlich, weil sie davon ausgegangen sind, dass wir immer noch zusammenlebten.”
“O nein! Dann hast du die ganze Zeit gedacht, dass es uns nicht interessiert hätte, dass du gegangen bist.”
“Ich hatte es einfach satt, mich so von Dad behandeln zu lassen.”
“Er hätte das nie tun dürfen.”
“Vergiss es.”
“Es tut mir leid, dass du so verbittert bist.”
“Und mir tut es leid, dass du dir diesen Mann ausgesucht hattest.”
“Also bist du immer noch wütend auf ihn.”
“Ja.”
“Ich hatte in den letzten Jahren viel Zeit nachzudenken und bereue viele meiner Entscheidungen.” Sie sah ihm in die Augen. “Ich habe meinen Sohn verloren, und das war ein harter Preis, den ich bezahlen musste.”
“Ich habe eine Familie verloren.”
“Ja, aber du hast es selbst so entschieden. Ich fand es immer schrecklich, wie dein Vater mit dir umgegangen ist, wenn er betrunken war. Dann war er wie ein Fremder, nicht wie der Mann, den ich einmal geheiratet habe. Als wir merkten, dass du gegangen warst, schien ihm nichts mehr wichtig zu sein. Er wusste natürlich auch, dass ich ihm die Schuld gab. Ich war aber auch auf mich selbst wütend, weil ich dich gegen ihn nicht hatte beschützen können.”
Rafe schüttelte den Kopf. “Dafür hast du es früher abbekommen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie er dich behandelt hat, als ich noch klein war. Deshalb war es mir lieber, dass ich sein Prügelknabe wurde und er dafür euch in Ruhe ließ.” Er wich ihrem Blick wieder aus. “Irgendwann wurde mir klar, dass ich bereit war, ihn zu töten, wenn er nicht endlich aufhören würde, mich zu schlagen. Da wusste ich, dass ich gehen musste. Ich hoffte natürlich, dass er sich nicht an dir und den Mädchen vergreifen würde.”
“Nein. Das hat er nie getan.”
“Gut zu wissen.”
“Er trank zwar immer noch, aber nicht mehr so viel. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ihn der Verlust seines einzigen Sohnes sehr geschmerzt hat.”
Rafe versuchte, sich daran zu erinnern, wie sein Vater in nüchternem Zustand gewesen war. Doch es fiel ihm schwer, denn das Bild von
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