Immer wieder Samstag Reloaded
letzter Kraft beherrschte ich mich, und obwohl meine Finger bebten, meine Knie kaum mein Gewicht tragen konnten, legte ich einen einigermaßen ordentlichen Abgang hin. Ich hoffte ehrlich, dass ich erfolgreich verbergen konnte, was er meinem Herzen antat, wie er es mir aus der Brust riss und immer und immer wieder darauf herumtrampelte, bis nichts als ein matschiger Klumpen übrig blieb, der unter dem Druck wohl nicht mehr die Energie für den nächsten Schlag aufbringen würde.
***
Als ich nach der Mittagspause im Informatikunterricht saß, ging es mir erst richtig miserabel. Schweißnasse Hände und ein Looping vollführender Magen waren noch die kleinsten Auswirkungen der letzten Begegnung. Die schlimmsten Visionen zogen in meinem gestressten Kopf ihre Bahnen. Mit jeder Sekunde wurde eines unabwendbarer: Ich würde kotzen. Entweder aus dem Mund oder aus den Augen! Genauer Ausgang? Unklar! Nur die Garantie, dass es geschah, war eindeutig. Also stiefelte ich schon mal zur Toilette.
Dort drapierte ich penibel die eigentlich saubere Klobrille erst mal mit Klopapier, denn mir war nicht klar, wie lange ich hier ausharren musste. Womöglich konnte ich mich entspannen, wenn wenigstens das Bedürfnis verschwand, ständig loskotzen zu müssen.
Zitternd setzte ich mich auf die weiße Brille, betrachtete düster die hässliche grüne Kabinentür und stöhnte entnervt, als ich die mit schwarzem Edding hingekritzelten Botschaften las.
... schrieb ich kichernd dazu. Nur so zur Aufheiterung. Keines der Mädchen würde jemals auf die Idee kommen, dass die Nachricht von mir stammte.
Doch als ich schlurfende Schritte untermalt von raschelnder Kleidung im Toilettenraum vernahm, blieb mir die Fröhlichkeit im Hals stecken. Als Nächstes ertönte ... Geschmatze!
»Ist jemand hier?« Das war Eva, alias die Erpresserin, alias das Miststück – derzeit atemlos. Und ich wusste sofort, warum sie sich so anhörte! Automatisch platzierte ich meine Füße auf die Klobrille und duckte mich. Mein sowieso schon ramponiertes Herz begann zu rasen, als eine Stimme erklang, die samten sein sollte, jedoch nun aber rau und ... erregt war ... und das nicht meinetwegen.
»Scheiss drauf!«
Direkt neben mir knallte die Tür der Kabine zu, was dem Schrecken in mir neue Nahrung gab. Presslufthammerartig pumpte das Blut durch meine Venen und mir ging der Sauerstoff aus, sodass es in meinen Ohren rauschte. Zusätzlich gelang es mir nicht, meine weit aufgerissenen, mit Tränen gefüllten Augen zu schließen oder meinen Mund, der derzeit akut auszutrocknen drohte.
»Öffne meine Hose!«, befahl er gewohnt dominant.
Tristan … bitte … nicht! , betete ich. Die Wand rechts neben mir erzitterte, als ein Körper dagegen gestoßen wurde. Mühsam konnte ich ein gequältes Schluchzen unterdrücken.
Das hier war doch verrückt ... und die Hölle noch dazu!
Ich schlug eine Hand vor die Lippen, um keinen Ton von mir zu geben, der stark einem Wimmern geglichen hätte, aber auch, um verfolgen zu können, was weiter geschah, so schmerzhaft es auch sein würde. Das Öffnen eines Reißverschlusses und ein heiseres Stöhnen durchbrach die Stille. Sein Stöhnen. Wegen ihr entkam ihm dieses von mir so geliebte Geräusch. Und plötzlich wusste ich: Wenn es ihr wieder gelingen sollte, ihm diesen einmaligen Laut zu entlocken, der selbst von mir unverursacht ein tiefes Vibrieren in jeder Zelle meines Körpers auslöste, dann würde ich sterben – bei lebendigem Leibe.
Da ich allerdings leben wollte, unternahm ich das einzig Angebrachte und presste schnell und mit aller Härte meine kleinen Ohrmuscheln zu. Um das Ausklinken perfekt zu machen, kniff ich darüber hinaus die Lider zusammen. Ganz nach dem Motto: Kann ich weder sehen noch hören, bin ich auch nicht da.
Auf diese Art dröhnte mein Puls noch lauter, und ich hätte am liebsten ein beruhigendes Musikstück gesummt, leider musste ich leise sein. Sollte er mich nämlich erwischen, wäre das ebenso mein Ende. Also dachte ich an eine Melodie, ein friedliches, wunderschönes Klavierstück, das so gar nicht zur derzeitigen Situation passte (Aschenbrödel-das tschechische gute ...). Dabei redete ich mir ein, ich befände mich gar nicht auf dem Mädchenklo des örtlichen Gymnasiums, sondern auf meiner Lichtung. Spontan überlegte ich, am kommenden Samstag mit Stanley einen ausgedehnten Spaziergang durch den Wald zu unternehmen. Mein Hund könnte herumtoben und ich endlich wieder auf andere Gedanken kommen.
Sehr gut
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