Immorality Engine
Einbruch, und
nach allem, was sie über den Bauplan des Hauses wusste, würde sie vermutlich in
einer Küche oder Spülküche herauskommen, aber das war so gut wie jeder andere
Zugang. Immer vorausgesetzt natürlich, der Raum war verlassen.
Sie war zuversichtlich, dass sie, sobald sie einmal drinnen war,
Amelias Zimmer leicht finden würde. Natürlich musste sie eine ganze Reihe von
Türen probieren, und es bestand immer noch die Gefahr, plötzlich vor jemandem
zu stehen, der das ganze Haus zusammenschrie, aber sie fand, dieses Risiko
müsse sie eben eingehen.
Jetzt kam es darauf an, den richtigen Zeitpunkt abzupassen. Sie beobachtete das Fenster schon einige Minuten lang und hatte drinnen niemanden
entdeckt. Letzten Endes lief es wohl darauf hinaus, dass sie es einfach darauf ankommen lassen musste. Statt noch länger drauÃen
herumzustehen, über Unwägbarkeiten nachzudenken und jede Gelegenheit zu verpassen, verlieà sie eilig die Deckung
des Baums und rannte zum Fenster. Als sie über die Wiese eilte,
rutschten ihre FüÃe auf dem nassen Rasen aus, dass sie schon dachte, sie werde
stürzen, aber dann konnte sie ein Bein über die Fensterbank werfen und stand
gleich darauf ein wenig derangiert in der Küche.
Rasch sah sie sich um und orientierte sich. Die Frage war, ob sie
weglaufen und sich verstecken oder erst einmal jemanden mit einem Nudelholz
angreifen und zum Schweigen bringen musste. Doch sie war allein, die Küche war
verlassen. Erleichtert seufzte sie.
Es roch nach Brühe und Zwiebeln. Auf dem Herd köchelten groÃe Töpfe
mit Essen, die Deckel klapperten auf den Pfannen, während der Dampf durch die
Spalten entwich. Veronica hatte nicht viel Zeit, denn sicher würde bald wieder
jemand nach dem Essen sehen. AuÃerdem bedeutete es, dass sie später einen
anderen Fluchtweg aus dem Institut finden musste.
Die Tür am anderen Ende des Raumes
war der einzige Ausgang. Veronica umrundete vorsichtig einen groÃen Holztisch,
dessen Oberfläche sich zahlreiche Küchengeräte und verschüttetes Mehl teilten,
ging an den blubbernden Pfannen vorbei und zögerte schlieÃlich auf der
Türschwelle. DrauÃen näherten sich Schritte. Sie lauschte und überlegte, wie
viel Zeit ihr noch blieb. Waren es überhaupt Schritte? Eigentlich klang es eher
nach einem Metallgegenstand, der gleichmäÃig auf Stein schlug, und zugleich
konnte sie das Keuchen und Seufzen von Kolben hören. Vielleicht eine Art Wachautomat? Egal. Es wurde eindeutig lauter, und
das bedeutete, dass es sich näherte.
Sie sah sich in der Küche um. Gab es ein Versteck? Höchstens, dass
sie in den Speisenaufzug in der Ecke klettern konnte, aber sonstââ¦
Sie musste weglaufen. Hinaus auf den Flur, links abbiegen und
möglichst schnell dem ausweichen, was sich aus der anderen Richtung näherte.
Sie konnte nur hoffen, dass es noch zu weit entfernt war, um sie zu entdecken.
Veronica schloss die Augen, schluckte schwer und stürmte hinaus.
Rasche Blicke in beide Richtungen. Rechts war der Weg noch frei, doch dort
schepperte es gleichmäÃig und drohend. Das mechanische Stampfen näherte sich
schnell. Auf der anderen Seite zweigten nach wenigen Schritten links und rechts
Seitengänge ab. Sie lief hinüber und hoffte, dass dort die Luft rein war. Das
traf zwar zu, aber in welche Richtung sollte sie sich wenden? Wo fand sie
Amelias Zimmer?
Kling, kling, kling! Die Schritte kamen
hinter ihr um die Ecke. Sie musste sich schnell entscheiden. Also nach rechts,
denn auf diesem Weg konnte sie vermutlich tiefer in das Haus eindringen.
Veronica eilte auf den alten Steinfliesen den Flur hinunter. Wände
und Decke waren mit dunkler Eiche vertäfelt, es wirkte bedrückend. Oben waren
in kleinen Nischen grobe hölzerne Gesichter eingearbeitet, die sie leer
anstarrten. Vermutlich lauerten sie schon dort, seit das Haus errichtet worden
war. Sie fragte sich, was sie im Laufe der Zeit alles gesehen haben mochten.
Wieder eine T-Kreuzung. Veronica stöhnte frustriert. Welche Richtung
sie auch wählte, sie entfernte sich von dem Garten und den Zimmern, in denen
Amelia ihrer Ansicht nach sein musste. Allerdings blieb ihr nichts anderes
übrig. Umkehren konnte sie nicht, weil dieses Ding, was es auch war, hinter ihr in den Fluren herumstrolchte. Also bog sie
abermals nach rechts ab und lauschte aufmerksam, ob vor ihr Bewegungen oder
Stimmen zu
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