Immorality Engine
hatte auf der Wiese mit
Amelia gespielt, während die Eltern mit den Gastgebern in der Orangerie stark
duftenden Tee getrunken hatten. Eine Biene hatte Amelia gestochen, und Veronica
hatte ihre Hand gehalten, während die Mutter mit gereizter Miene den Stachel
aus dem Arm entfernt hatte.
Veronica blinzelte und vertrieb die Erinnerungen, die ungerufen
erwacht waren. Viel wichtiger war die Frage, wie Amelia sich in ihrem neuen
Zuhause fühlte. Das würde sie wohl bald herausfinden.
Sie blickte zu Newbury, der mit einem gewissen Recht gefragt hatte, ob
sie das, was sie sich vorgenommen hatten,
wirklich tun wollte. Veronica zauderte tatsächlich. Nicht nur, weil sie
unangemeldet in das Gebäude schleichen
wollte, während Newbury Dr. Fabian über seine Beziehung zur Bastion
Society befragte, sondern auch wegen der Dinge, die bei alledem herauskommen
konnten. Newbury wollte, dass sie mit Amelia sprach und überprüfte, ob an
seinen Vorahnungen und der tiefen Angst, etwas Schreckliches werde geschehen,
etwas dran war.
Dabei hatte der Arzt Veronica ausdrücklich untersagt, ihre Schwester
zu besuchen, weil diese in der
Abgeschiedenheit des Instituts und ohne Störung durch familiäre Sorgen
rascher genesen werde. Natürlich wollte Veronica Amelias Gesundung nicht
behindern. Sie fürchtete sich auch vor den Ergebnissen des Gesprächs mit ihr.
Halb wünschte sie sich, Amelia werde Newburys Ahnungen nicht bestätigen, denn
wenn er recht behielt, stand ihnen möglicherweise eine Katastrophe bevor.
Irgendetwas, das sogar Newbury nervös machte und ihm Angst einflöÃte.
Andererseits, wenn Newbury sich
irrte und Amelia nichts beisteuern konnte, was seine Befürchtungen bekräftigte,
welches Urteil musste man dann über Newburys Geisteszustand sprechen? Musste
man davon ausgehen, dass er viel zu viel Vertrauen in die Ergebnisse seiner okkultistischen Experimente setzte? Dass sein Verstand nach monatelangem
Drogenmissbrauch gelitten hatte? Wie es sich auch entwickelte, Veronica musste
sich auf eine schwierige Situation einstellen. Allerdings konnte sie jetzt
nicht mehr kneifen, und sie musste unbedingt erfahren, was Amelia ihr sagen
konnte. Wenn Amelias Träume eine drohende Gefahr beschrieben, dann wollte Veronica bereit sein, um möglicherweise doch noch das Schlimmste zu verhüten.
Newbury beugte sich vor und nahm ihre Hand. »Fünf Minuten, Veronica.
Fünf Minuten, und dann zurück in die Droschke. Trödeln Sie nicht herum,
riskieren Sie nicht die Entdeckung. Gehen Sie so schnell wie möglich hinein,
und kommen Sie wieder heraus.«
Veronica zog die Augenbrauen hoch
und sah Newbury ungeduldig an. »Sir Maurice, ich werde hineingehen und wieder
verschwinden, bevor mich irgendjemand bemerkt. Sie müssen mir keine Vorträge
darüber halten, dass ich kein Risiko eingehen soll.«
»Nein«, räumte Newbury ein. »Das
ist wohl nicht nötig.« Zufrieden lehnte er sich zurück. »Werden Sie hier auf
mich warten, während ich mit Dr. Fabian rede?«
»Natürlich.«
»Nun gut. Ich glaube, es gibt hinten eine ganze Reihe möglicher
Zugänge in das Gebäude, wie etwa Terrassentüren, die zu den Patientenzimmern
führen. Während Sie in der Deckung der Bäume das Haus umrunden, lenke ich die
Diener am Haupteingang ab.« Er stand auf und rückte das Jackett zurecht. »Viel
Glück, Veronica.«
»Auch Ihnen wünsche ich viel Glück, Sir Maurice.«
Er warf die Tür auf und trat ins
helle Sonnenlicht hinaus. Seine FüÃe knirschten auf dem Kies. Veronica holte
unterdessen noch einmal tief Luft und folgte ihm, hielt sich aber dicht an der
Droschke. Sie sprang auf den Boden, umrundete die Karosse und verschwand in der
Deckung der Bäume, die am Rand der Rasenfläche vor dem Institut standen.
Veronica bemerkte nicht, dass zwei kühle blaue Augen aus einer
Porzellanmaske spähten und sie beobachteten, als sie geschmeidig von Baum zu
Baum huschte und einen Eingang in das Gebäude suchte.
Ein fast kahlköpfiger Butler in schwarzem Anzug blickte Newbury
aus wässrigen hellen Augen entgegen, als er sich dem Eingang des alten
Herrenhauses näherte. Lächelnd stieg Newbury die Treppe hinauf, worauf sich der
ältere Mann überflüssigerweise verneigte. »Einen guten Tag wünsche ich, Sir.
Mein Name ist Carrs. Kann ich Ihnen helfen?« Sein Akzent klang nach East
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