Immorality Engine
endete in einem riesigen Gewölbe, anscheinend einer groÃen
natürlichen Höhle, deren Decke von einem Wald von Stalaktiten bedeckt war.
Mitten in der Kaverne befand sich eine mächtige Messingkugel, die mindestens
zehn Schritte durchmaÃ. Die äuÃere Hülle war verbeult und fleckig. Sie ruhte
auf einem Podest und war von zahlreichen seltsamen, unförmigen Geräten umgeben.
Füllstutzen und Schläuche ragten hervor wie die Stacheln eines Seeigels, und
oben darauf erhob sich ein groÃes eisernes Rohr wie ein Kamin und verschwand in
der Decke. Der Apparat summte leise, sie konnten die Vibrationen im Boden
spüren.
Veronica hielt sich an der Mündung des Gangs im Schatten und sah
Newbury fragend an. »Was ist das?«, flüsterte sie.
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete er.
Vorsichtig verlieà Veronica die Deckung und schlich in die riesige
Höhle. Drinnen gab es keinerlei Lebenszeichen. Welchem Zweck die Maschine auch
diente, im Moment war sie anscheinend nicht in Betrieb.
Sie hörte Newburys Schritte hinter sich. »Da ist eine Tür«, sagte er, während er sich der groÃen, glänzenden Kugel näherte. Er zog sie auf und bückte
sich, um hineinzuspähen.
Gleich darauf zog er den Kopf wieder zurück. »Es erinnert an ein
ärztliches Behandlungszimmer. Es gibt dort einen Stuhl, und an der Decke hängt
ein Apparat mit vielen Nadeln.« Wieder steckte er den Kopf hinein.
Veronica umrundete unterdessen die seltsame Maschine. Sie war mit
einem Bedienpult ausgestattet, auf dem es unzählige Knöpfe und Hebel gab, die
vermutlich das steuerten, was im Inneren vor sich ging. Weiter hinten stieà sie
auf den Hinweis, den sie gesucht hatte, und nun war die Bedeutung der Maschine
völlig klar.
Es war der Duplizierapparat.
Nebeneinander standen zwei hohe gläserne Behälter auf einer Bühne,
die über dicke, geringelte Schläuche mit der Messingkugel verbunden waren. Die
Scheiben waren mit Rahmen aus Mahagoni eingefasst, auf denen komplizierte
Schnitzereien und Verzierungen zu erkennen waren. Die Symbole und die
geschnitzten Figuren schlangen sich auf den Holzleisten umeinander. Sie waren
seltsam und unvertraut und erinnerten an heidnische Darstellungen, die sie
öfter im Museum gesehen hatte. In beiden Behältern stand eine zähe Flüssigkeit,
die von innen heraus rosa zu glühen schien. In einem Tank schwebte der erst
halb ausgeformte Körper eines Mannes. Es war widerlich. Veronica erbleichte,
als sie es sah.
Die untere Hälfte hätte irgendeinem Mann von Mitte vierzig gehören
können, wenn man davon absah, dass die Haut rosa war und an ein Neugeborenes
erinnerte. Die obere Hälfte des Rumpfes war unvollständig. Brustkorb und Bauch
waren offen, und die schwebenden, toten Organe lagen frei. Vom rechten Arm war
lediglich der Knochen zu erkennen, nur an der Hand und am Handgelenk waren
einige Muskelansätze gewachsen.
Der Kopf bot womöglich den schlimmsten Anblick. Die linke Gesichtshälfte war rosa und menschlich, der blinde
Augapfel ruhte schon in der Höhle. Die rechte Hälfte war ein grässliches
Durcheinander freigelegter Muskeln und Knochen. Dort war die Augenhöhle noch
leer, und darunter stand der nackte Wangenknochen hervor. Das Ohr fehlte, und
Teile der Kehle und der Zungenmuskel schwebten lose in der Flüssigkeit. Die
Muskeln um das Kinn entstanden gerade erst, weiter hinten waren aber schon die
Zähne zu erkennen.
Diesen Anblick würde sie ihr Lebtag nicht mehr vergessen. Natürlich
war ihr klar, dass dieser Mann nie als bewusstes Wesen existiert hatte, aber
irgendwie machte das die Angelegenheit nur noch schlimmer. Sie schauderte, als
sie sich vorstellte, dass sie die unvollständige Kopie eines Mannes
betrachtete, der vermutlich irgendwo über ihr in dem groÃen Saal
umherspazierte. Noch schlimmer war der Gedanke, was er mit seinem Ebenbild tun
würde, sobald es vollständig war und in dem Lagerraum aufgehängt werden konnte.
Veronica zog sich von dem Behälter zurück, weil sie den Anblick des
Duplikats nicht mehr ertragen konnte. Sie hatte keine Ahnung, wie die Maschine
funktionierte, und gewiss nicht das Bedürfnis, es herauszufinden. Es war eine
ScheuÃlichkeit, eine Perversion wider die Natur. Sie fand es ironisch, dass die
Mitglieder der Bastion Society einerseits so empört über den Wunsch der Queen
nach einem verlängerten Leben
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