Immortal 3 - Schwarze Glut
Und es dauerte und dauerte …
Als ihre Füße wieder festen Boden berührten, kniff sie weiter die Augen zusammen. Sie klammerte sich an Kalens Schultern und wartete, dass sich die kurbelnde Welt wieder beruhigte.
Seine tiefe Stimme klang besorgt. »Ist alles in Ordnung?«
Nein, war es nicht. Sie holte Luft und öffnete zaghaft die Augen. »Ich werde es überleben.«
»Für immer«, sagte er sanft, »darauf zähle ich.«
Rasch wandte sie den Blick ab, damit er die Wahrheit nicht von ihren Augen ablas. Für immer. Mit Kalen. Es war ein Traum, nach dem sie zu gern greifen würde. Wenn Tain und Kekhsut besiegt waren und falls Christine die Schlacht überlebte, würde Kalen vielleicht aus Annwyn zurückkommen, um sie zu holen. Oder aber er erinnerte sich daran, wie sie ihn belogen hatte, und beschloss, dass sie die Mühe nicht wert war.
Das Zimmer, in dem sie gelandet waren, war wunderschön eingerichtet: ein weicher dicker Teppich, antike Möbel, beeindruckende Gemälde an den Wänden. Die schweren Brokatvorhänge waren offen, und aus dem Kassettenfenster blickte 317
man auf den Kirchturm einer strengen Sandsteinkirche. Hinter der Turmspitze sah man eine steil ansteigende Straße, die zu einer Burg auf einem hohen Hügel führte.
»Edinburgh«, sagte Kalen.
Die Aussicht hätte sehr reizvoll sein können, wäre sie nicht von einem schmutzigen Regenschleier verhangen. Normalerweise machte Regen Christine fröhlich, dieser allerdings nicht. Er hinterließ blutrote Streifen auf dem Fenster. Die Straße unter ihnen wirkte wie ausgestorben. Die wenigen Leute, die sich trotz des Wetters hinaustrauten, eilten mit gebeugten Schultern und eingezogenen Köpfen ihrer Wege. Christine wandte sich vom Fenster ab. Ihr wurde das Herz schwer. Die letzte Woche hatte sie behütet von Kalens Magie verbracht, auf einer Insel, die unerreichbar für die Todesmagie war. Jetzt, zurück in der Realität, schockierte sie, wie sehr die menschliche Welt in der kurzen Zeit verfallen war. Sie blickte zu Kalen auf. Mit strenger Miene zog er die Vorhänge zu. Seufzend blickte Christine sich im Zimmer um. Es war Teil einer großen Suite. Mehrere Türen führten in andere Räume. Unter anderem konnte Christine ein Esszimmer, eine Küche und ein Schlafzimmer ausmachen. Sie konnte hier nichts Störendes feststellen. Gewiss war das Gebäude von einem starken Schutzzauber abgeschirmt.
»Wo sind wir?«, fragte sie. »Ein Hotel? Ist die Galerie in der Nähe?«
»Sie befi ndet sich zufällig direkt unter deinen Füßen. Dies sind meine Privaträume im oberen Stockwerk.« Er führte sie zu einem Brokatsofa. »Setz dich einen Moment und verschnaufe. Ich muss kurz mit Fiona sprechen, meiner Geschäftsführerin. Sie ist eine Sidhe, wie alle meine Angestellten hier in Schottland, und sie sollte erfahren, dass das heute Abend die letzte 318
deLinea-Vernissage wird. Mac bat mich, sie wegen der Evakuierung zu informieren.«
Er ging zu einer Gegensprechanlage an der Wand, nahm den Hörer ab und sprach leise hinein, während Christine überlegte, welche Möglichkeiten sie hatte. Ihr Plan war, dass sie sich aus dem Gebäude stahl, während Kalen die Gäste begrüßte. Am Galerieeingang mussten die Schutzzauber abgemildert sein, damit Kalens menschliche Klientel hineinkonnte. Und wenn Christine wegwollte, käme sie wohl am ehesten dort hinaus. Sobald sie draußen war, musste sie Amber kontaktieren. Weil Christines Pass und ihr Geld im Faerie Lights in Inverness waren, brauchte sie Hilfe, um außer Landes zu gelangen. Amber und Adrian könnten sicher ihre Kontakte nutzen, um ihr baldmöglichst einen Flug nach Seattle zu besorgen. Natürlich wären sie enttäuscht wegen Kalen, aber das ließ sich nicht ändern. Wenn Christine bloß daran dachte, was Kalen erwartete, sollte er sich ihnen im Kampf gegen Tain anschließen, wurde ihr speiübel. Nein, sie würde ihn unter keinen Umständen in Gefahr bringen!
Nach dem Gespräch mit seiner Managerin kam Kalen wieder zu ihr und half ihr von der Couch auf. »Komm mit! Die Gäste werden bald eintreffen, und vorher würde ich dir gern eine private Führung bieten.«
Er ging mit ihr zu einem kleinen Aufzug, der dezent in einer Nische verborgen war. Es passten gerade zwei Leute hin ein, und er war sehr eng – vor allem wenn einer von beiden so groß war wie Kalen. Dieser nahm Christine in die Arme, neigte den Kopf und küsste sie leidenschaftlich, während der Fahrstuhl nach unten glitt.
»Ich liebe dich«, sagte er.
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