Immortal 3 - Schwarze Glut
Hand darüber. Wie ein edles Parfüm hing ihr Duft noch im Laken. Kalen sog ihn genüsslich ein. Ihn befi el eine seltsame Rastlosigkeit. Sie ähnelte den künstlerischen Impulsen, die ihn nach dem Beischlaf mit Leanna überkamen. Das war Christines Magie, dachte er. Sein Herzschlag beschleunigte sich, Unruhe packte ihn. Seine Finger verlangten nach Stift und Papier. In seinem Schlafzimmer hatte er keine Zeichenmaterialien – schließlich ließ er Leanna hier nie herein. Aber die Obsession, die ihn ergriff, war viel zu stark, als dass er erst in die Bibliothek eilen könnte. Mit wenigen Schritten war er bei seinem Schreibtisch, wo er einen Pergament bogen aus einer Mappe nahm, den er fl ach auf dem Tisch ausbreitete. Dann schraubte er das Tintenfass auf und griff nach einem Federhalter.
Der Drang, etwas zu schaffen, Schönheit aus nichts als purer Vorstellungskraft hervorzubringen, erfüllte ihn von oben bis unten. Sein Körper befahl ihm zu handeln. Dennoch zögerte er einen Moment. Während der letzten zehn Jahre hatte er von Leannas Magie gezehrt, die ihn befeuerte. Er war überzeugt gewesen, dass er sie brauchte. Er konnte sich dem Impuls unmöglich verweigern. Viel162
leicht scheiterte er ein weiteres Mal, so wie er es ausnahmslos nach dem Sex mit Leanna tat, aber er musste es versuchen. Er wagte kaum zu hoffen und hielt den Atem an, als die Federspitze das jungfräuliche Pergament berührte. Seine erste Linie kam fl ießend.
Es war ein kurviger, sinnlicher Federstrich, vollkommen schön. Aber er hatte auch in der Vergangenheit wunderschöne Linien geschaffen. Das allein hieß noch gar nichts. Erst wenn die erste Linie sich mit einer weiteren, gleichermaßen inspirierten verband, könnte es ungleich mehr werden. In Kalens Innerem fl ackerte ein Funken von Eingebung auf, und während er danach griff, rechnete er fast damit, dass er erlosch, bevor er ihn eingefangen hatte. Leannas Inspiration war stets schwer zu greifen, weil ihre Kraft zwar stark, aber auch fl üchtig war. Nur die talentiertesten oder verzweifeltsten Künstler konnten sie sich erobern.
Christines Magie jedoch entzog sich ihm nicht. Wie sie nahm sie ihn in ihre zarten einladenden Arme auf. Und je tiefer er in sie eintauchte, umso deutlicher fl oss sie um ihn herum. Unter seiner Hand entstand eine Zeichnung. Die Augen einer Frau, eine schmale Nase, ein Schmollmund. Dunkles Haar ergoss sich über nackte Haut. Sie lag auf zerwühlten Seidenlaken. Ihr langes Haar bildete einen verlockenden Vorhang, verbarg die Spitzen ihrer Brüste und streifte die sanfte Wölbung ihres Bauchs.
Seine Feder glitt über die weiche Linie ihrer Schultern, die zarten Rundungen ihrer Hüften. Als er fertig war, ging sein Atem schwer, und der Elfenbeingriff seines Federhalters hatte Risse bekommen, so fest hatte Kalen ihn gehalten. Sein Herz klopfte wie wild, sein Magen krampfte sich zusammen. Er starrte auf das Pergament und die Linien, die er darauf ge163
zeichnet hatte, um sich das Bild einzuprägen. Dann schloss er die Augen und atmete tief durch.
Er konnte nicht sicher sein, dass die Wirklichkeit dessen, was er gezeichnet hatte, noch seiner Eingebung entsprach, sobald deren Wirkung nachließ. Während er etwas schuf, befand er sich gleichsam in einem Traum. Und jedes Mal, wenn er erwachte, musste er feststellen, dass sein Werk lediglich ein blasser Nachhall seiner Vision war. Er wagte nicht zu hoffen, dass es diesmal anders sein könnte.
Nachdem er nochmals tief durchgeatmet hatte, öffnete Kalen die Augen. Eine Weile lang starrte er nur auf das, was er hervorgebracht hatte.
Dann schnürte sich seine Kehle zu. Seine Hand begann zu zittern, und er musste blinzeln, weil ihm die Augen brannten. Seine Zeichnung war schlicht, ja – nicht mehr als ein paar Linien in schwarzer Tinte. Und doch … war sie … vollkommen. Das Bild stellte die liegende Christine dar, die Sinnlichkeit und zugleich auch eine schmerzliche Unschuld ausstrahlte. In ihren Augen war jener Hauch von Unsicherheit zu erkennen, den Kalen so faszinierend fand. Ihr Gesichtsausdruck war erstaunt, aber auch hingebungsvoll, und ihre Mundwinkel waren ein klein wenig nach oben gebogen, als würde sie über etwas nachdenken, das er nie erfahren sollte.
Für längere Zeit stand er einfach da, außerstande, den Blick von seiner Zeichnung abzuwenden. Schließlich drehte er sich weg, fl uchte und ging einige Schritte auf Abstand. Zitternd fuhr er sich mit der Hand durchs Haar, drehte sich wieder um und ging
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