Immortal. Dunkle Leidenschaft
machte, was sich hinter der verschlossenen Tür befand. Ein Wandschrank war es sicher nicht. Adrian hatte einen begehbaren Schrank neben dem Bad, in dem nicht allzu viele Kleidungsstücke lagerten: ein paar maßgeschneiderte Anzüge, Jeans, Hemden, Motorradstiefel und elegante Schuhe, die aussahen, als würde er sie nicht sonderlich oft tragen. Sie vermutete, dass der Putzservice auch den Wandschrank in Ordnung hielt, denn sie hatte noch keinen Mann erlebt, der seine Schuhe so sauber im Schuhregal aufreihte.
Hinter der rätselhaften Tür konnte natürlich auch etwas so Unspektakuläres wie ein Wasserboiler sein, oder es war der Zugang zu einem Lagerraum unter dem Haus, aber auf jeden Fall musste sie es wissen. Adrian war selbst schuld, wenn er sie hier so lange allein ließ, dass sie unruhig wurde.
Ihre Zauberkräfte reichten allemal aus, um ein Schloss zu öffnen, indem sie einen einfachen Kreis um das Schlüsselloch zog und ein Zauberwort hineinsprach. Die Tür ging auf. Dahinter führte eine Holztreppe nach unten. Vorsichtig stieg Amber hinunter, und auf der letzten Stufe fing ihr Herz aufgeregt an zu pochen. Endlich hatte sie etwas von Adrian entdeckt!
Kapitel 10
D er Kellerraum erstreckte sich über die gesamte Länge des Hauses, war fensterlos und holzvertäfelt mit dicken Stützbalken unter der Decke. Amber war, als würde sie in die Halle einer alten englischen Burg treten, nur dass hier keine riesige Tafel war, an der Ritter ausgelassen feierten, sondern gläserne Vitrinen entlang der Wände standen, in denen Erinnerungsstücke aus der Vergangenheit verwahrt wurden.
Auf dem Boden lag ein dicker Wollteppich, bei dem es sich um einen Gobelin handelte, wie Amber bei näherem Hinsehen feststellte. Unter anderem war darauf ein mittelalterlich gewandeter Adrian mit seinem Silberschwert abgebildet.
In den Glasvitrinen entdeckte Amber einen zerschlissenen Wappenrock, ein Paar Panzerhandschuhe, einen Zylinder aus viktorianischer Zeit, Visitenkarten mit Namen, die sie nicht kannte, einen Damenfächer, eine Taschenuhr, eine verblichene Karte vom Osten Nordamerikas zu Zeiten Elizabeth I., Briefe in Griechisch und Russisch, einen ägyptischen Skarabäus und etwas, das wie ein Fabergé-Ei aussah.
Es waren Dinge, die er gesammelt und behalten hatte, die ihm mithin etwas bedeuten mussten. Sie fragte sich, wer die Dame gewesen sein mochte, was in den Briefen stand und wie er zu der Karte gekommen war.
All die Erinnerungsstücke waren anscheinend wahllos auf die Vitrinen verteilt worden, ohne erkennbares System oder Sortierung nach Zeitalter oder Ort. Es waren einfach Dinge, die ihm gefielen und die er hinter Glas verschlossen hatte, um sie sich anzusehen, wann immer ihm danach war.
Plötzlich registrierte sie eine Bewegung aus dem Augenwinkel und drehte sich erschrocken danach um. Er saß im Schatten, tief in einen Sessel versunken, die Beine ausgestreckt und die Arme schlaff auf den Lehnen. Er rührte sich nicht einmal, als sie ihn ansah.
»Göttin, Adrian!« Amber fasste sich an die Brust und fühlte ihr Herzrasen. »Wie lange bist du schon hier unten?«
»Weiß ich nicht.« Die Antwort klang rauh, und als Amber näher kam, erkannte sie, dass er schlimm zugerichtet war, sein Gesicht weiß und eingefallen und sein Hemd blutig von unzähligen Schnitten. »Ich erinnere mich nicht.«
Während Amber die goldenen Augen entsetzt aufriss, dachte Adrian darüber nach, wie unendlich froh er war, sie zu sehen. Er war nach Hause zurückgekehrt, nachdem er den Dämon gefunden und gegen ihn gekämpft hatte – gekämpft und verloren. Er hatte sich von einem von Septimus’ Männern eine Harley geliehen und war der Spur der Dämonenmagie bis in die Wüste außerhalb der Stadt gefolgt.
Ohne sich um Valerian, Amber oder Septimus sorgen zu müssen, hatte Adrian seine gesammelte Macht und Energie im Kampf eingesetzt. Es war nicht seine erste Schlacht gegen einen Ewigen gewesen, folglich wusste er, wie listig, stark und wahnwitzig sie waren und ebenso, was er zu tun hatte, um sie zu überwältigen.
Aber diesen hier konnte er nicht schlagen – jedenfalls nicht allein. Sie hatten hart gekämpft, weder er noch der Dämon hielten etwas zurück, und ihre kollidierenden Magien zuckten Polarlichtern gleich über den Nachthimmel. Kein Mensch war herbeigekommen, um nachzusehen, was dort vor sich ging. Entweder hielten sie es für ein Hitzegewitter über der Wüste oder für etwas Übernatürliches, vor dem sie sich fürchteten.
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