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Immortalis

Immortalis

Titel: Immortalis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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marmorverkleideten Wolkenkratzern und den McDonald’s mit Parkservice in der Innenstadt. Das Gewirr der engen Straßen war verstopft von den gegen jede Regel geparkten Autos und den klapprigen alten Schubkarren, abenteuerlich beladen mit Lebensmitteln, billiger Kleidung und DVD-Raubkopien. Hier wimmelte es von Antiquitätenhändlern, deren Waren die schmalen Gehwege blockierten, sodass Fußgänger auf die Straße ausweichen mussten. Faruk kannte die Gegend; er war vor ein paar Jahren hier gewesen und hatte mesopotamische Fundstücke an zwei einheimische Händler verkauft, die er seitdem nicht mehr gesehen hatte und jetzt auch nicht zu kontaktieren wagte.
    Es war eine gute Gegend zum Untertauchen.
    Seine Kleider scheuerten am Körper und stanken. Er konnte sich nicht mehr erinnern, wann er sich zuletzt gewaschen hatte. Er war nicht mehr zum Sanaji’i-Park zurückgegangen, nachdem er Rames getroffen hatte; die Vorstellung, für eine zweite Nacht an denselben Ort zurückzukehren, weckte Panik in ihm. Stattdessen hatte er sich in Basta herumgetrieben; er hatte in alten Cafés gesessen, war durch die Antiquitäten-Basare gestreunt und hatte bei Straßenhändlern ka’ik und Saft gekauft, um seinen Hunger zu stillen. Die Nacht hatte er, an ein Grab gekauert, auf dem nahen Friedhof verbracht und sich den Kopf über das bevorstehende High Noon zerbrochen. Und jetzt – nach Auskunft des leicht gereizten Mannes mit der honigduftenden nargile neben ihm – war es so weit.
    Er bedankte sich, stand auf und schlurfte an ein paar Backgammon-Spielern vorbei zur Theke. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals. Er fragte den Wirt, einen rundlichen Mann mit einem gewaltigen Schnurrbart, ob er das Telefon benutzen dürfe – er hatte schon vorher danach gefragt –, und versicherte ihm noch einmal, es sei ein Ortsgespräch. Der Mann sah ihn misstrauisch an und reichte ihm dann den schnurlosen Apparat.
    Faruk wandte sich ab und wühlte den zerknüllten Zettel aus der Tasche, auf dem Rames seine Nummer notiert hatte. Er legte ihn auf die Theke, nahm einen beruhigenden Zug aus seiner Zigarette und fing an zu wählen.
     
    Die Welt um Rames herum drehte sich in einem unwirklichen Kriechtempo, während er im Kopf die verstreichenden Sekunden abzählte.
    Er war immer noch an den Stuhl gefesselt und hatte auch den muffigen Sack noch auf dem Kopf, unter dem es stickig war, was seine pochenden Kopfschmerzen noch verstärkte. Einfach dazusitzen, zu warten und zu beten, dass Faruk wie versprochen anrufen würde, war eine unerträgliche Qual.
    Zu allem Überfluss spürte er jetzt ein stechendes Brennen im Unterleib: Seine Blase wollte entleert werden. Aber jetzt war nicht der richtige Augenblick, um davon anzufangen.
    Er wusste, sie würden ihm den Sack vom Kopf nehmen müssen, wenn und falls – nein, nicht falls. Ein Falls durfte es nicht geben. Er musste sich auf das Wenn konzentrieren. Wenn der Anruf käme. Sie konnten ja nicht erwarten, dass er so mit Faruk telefonierte. Und vielleicht würden sie ihm ja auch während des Gesprächs lautlose Anweisungen geben wollen. Er würde dann einfach die Augen geschlossen halten – für den Fall, dass sie befürchteten, er könne sie später identifizieren. Zumindest würde er zu Boden schauen und jeden Blickkontakt vermeiden. Er hatte sie danach fragen wollen, aber dann hatte er es nicht getan, weil er sie nicht auf etwas aufmerksam machen wollte, worüber sie sich vielleicht gar keine Gedanken machten. Er versuchte, nicht daran zu denken, was es bedeutete, wenn sie es doch taten.
    Das Klingeln des Handys durchfuhr ihn wie ein elektrischer Schlag. Sofort riss ihm jemand den Sack vom Kopf und verdoppelte den Schock.
    Seine Augen hatten Mühe, sich an das kalte Neonlicht in dem fensterlosen Keller zu gewöhnen. Er glaubte den Mann zu erkennen, der vor ihm aufragte; es war einer von denen, die ihn in den Wagen gestoßen hatten. Der Mann schaute auf Rames’ Telefon, das jetzt wieder klingelte. Rames vermutete, er wollte sich vergewissern, dass die angezeigte Nummer nicht im Speicher des Handys enthalten war. Faruks Name würde nicht auf dem Display stehen.
    Rames sah den Mann an. Er konnte nicht wegschauen; seine Absicht, jeden Augenkontakt zu vermeiden, war vergessen. Der Mann – dunkelhaarig, gepflegt, aber mit furchterregendem, leerem Blick – schaute ihn mit einer stummen Wildheit an, die ihm den Atem nahm; sein erhobener Finger mahnte ihn unmissverständlich zur Vorsicht. Er drückte auf die

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