Immortalis
Mias Adern, als sie sich ihren Weg durch das geschäftige Treiben unter den Arkaden bahnte und verzweifelt nach ihrer Mutter Ausschau hielt, hoffentlich ohne allzu viel Aufmerksamkeit zu erregen. Sie hatte kostbare Sekunden verloren, als sie in einem Bogen um den blockierten BMW den dichten Verkehr durchquerte. Als sie schließlich in der Fußgängerzone angekommen war, hatte sie den Androiden und seinen Kumpan nirgends entdecken können.
Am Ende des Säulengangs blieb ihr nichts anderes übrig, als den Schutz der Kolonnade zu verlassen und auf den offenen Platz hinauszutreten, der zum Uhrturm hin sanft abfiel. Die Atmosphäre um sie herum war geladen von einer beunruhigenden Mischung aus unbezähmbarer Feierlaune und unterschwelliger Trauer. Sie hoffte, dass niemand sie bemerken würde, als sie zwischen den Tischreihen der Straßenrestaurants hindurchlief. Ihre Handflächen waren feucht vom Angstschweiß, und noch immer sah sie keine Spur von Evelyn oder ihren Verfolgern.
Dann tat das Gedränge sich für einen Moment vor ihr auf, und das Herz blieb ihr fast stehen, als sie ihre Mutter entdeckte. Sie stand etwa hundert Meter entfernt und sprach mit einem Mann, den Mia nicht kannte. Einen Augenblick lang war sie erleichtert – Evelyn war da, sie redete offensichtlich mit einem Bekannten, und alles war in Ordnung –, aber dann sah sie, wie der Mann plötzlich auf irgendetwas reagierte und Evelyns Arm ergriff. Die beiden stürmten davon.
Seine hastige Reaktion jagte ihr einen Schrecken ein. Rasch ließ sie den Blick über den Platz wandern und erkannte den Androiden und seinen Kumpan auf halber Strecke zwischen ihr und Evelyn. Sie rannten nicht, aber sie gingen so schnell, wie sie konnten, ohne zu sehr aufzufallen.
Eine Angst, wie sie sie in ihrem geschützten akademischen Dasein noch nie gespürt hatte, ergriff sie und nagelte sie am Boden fest. Sie wollte um Hilfe rufen, aber es gab nirgends ein vertrautes Gesicht, an das sie sich wenden, keinen Polizisten, den sie alarmieren konnte, und sie hatte keine Zeit zum Nachdenken.
Sie schüttelte die Angst ab, erweckte ihre Beine zum Leben und rannte hinter ihnen her.
Faruk und Evelyn eilten ziellos durch das Gewimmel der Fußgängerzone. Immer wieder schauten sie sich angstvoll nach ihren Verfolgern um und bemühten sich, ihren Vorsprung zu halten.
«Faruk, stopp», rief Evelyn schließlich, und ihre Stimme war schrill vor Ärger und Panik. «Hier sind überall Leute. Sie können hier nichts tun.»
«Das scheint sie aber nicht zu stören», erwiderte er, ohne das Tempo zu verlangsamen. Er hätte es – vielleicht – darauf ankommen lassen, wenn die Soldaten vor dem Parlament noch in Reichweite gewesen wären, aber als er die beiden Verfolger entdeckt hatte, waren sie schon zwischen ihnen und den Soldaten gewesen, und sie hätten ihnen nicht ausweichen können.
Plötzlich fiel Faruk im Gedränge vor ihnen ein weiterer Mann ins Auge. Er kam gelassen auf sie zu, und als er die Hand unter die Jacke schob, kam der Kolben einer Pistole im Halfter zum Vorschein.
Nach links tat sich eine Seitenstraße auf; Faruk zerrte Evelyn hinein. Sie führte etwa hundert Meter den Berg hinauf bis zu einer Moschee am Rande der Fußgängerzone.
Evelyn stolperte um die Ecke, fand aber sofort ihr Gleichgewicht wieder. Sie atmete keuchend, die Beine taten ihr weh, und es war klar, dass sie dieses Tempo nicht viel länger durchhalten würde. Sie war für ihr Alter zwar ziemlich gut in Form, aber so – nun ja, so war sie noch nie gerannt.
Sie ließen das Treiben und die hellen Lichter des Platzes hinter sich. Ihre Schritte hallten durch die Dunkelheit, die sie jetzt umgab. Plötzlich wurde ihr klar, dass Faruk nicht wusste, wohin er lief. Er kannte Beirut kaum, vielleicht gar nicht, und es hatte keinen Sinn, dass er sie führte. Evelyn kannte sich in der Innenstadt ziemlich gut aus, aber in dieser Gasse war auch sie noch nie gewesen, und es war doch sicher vernünftiger, unter Menschen zu bleiben. Bergauf zu laufen, auch wenn die Straße nicht besonders steil war, half da auch nicht weiter.
«Faruk, hören Sie», rief sie atemlos, «wir müssen einen Polizisten finden, jemanden, der Sie schützen kann –»
«Niemand kann uns schützen», schrie Faruk, und seine Stimme brach vor Verzweiflung. «Nicht vor denen, verstehen Sie das nicht? Wir brauchen ein Taxi, ein Auto, irgendetwas –»
Er verstummte, als hinter ihnen das dreifache Stakkato eiliger Schritte durch die
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