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Immortalis

Immortalis

Titel: Immortalis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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will mehr etwas davon hören.»
    «Aber er ist ein Monstrum.» Mia sprang erbost auf.
    «Glauben Sie, er ist der Einzige?», antwortete er mit stiller Frustration. «Es gibt Scharen von anderen Massenmördern da draußen, aus Ruanda, Serbien, was weiß ich. Und sie leben still und friedlich unter falschem Namen in grünen Vororten von London oder Brüssel. Niemand behelligt sie. Die Einzigen, die hinter ihnen her sind, sind investigative Journalisten. Sonst niemand. Sie sind die Simon Wiesenthals von heute, und es sind nicht viele. Nur eine Handvoll, denen so viel daran liegt, dass sie ihre Zeit damit verbringen und ihr Leben aufs Spiel setzen, um diese Schlächter aufzuspüren. Sie sind die Einzigen, die noch etwas bewirken. Ab und zu entlarven sie einen und schreiben eine Story, die auf Seite zwei oder drei ein paar Spalten füllt, und vielleicht gibt es einen Staatsanwalt, der sie bemerkt und sich darum kümmert, wenn sie genug Staub aufwirbelt. Aber meistens kommen diese Typen ungeschoren davon.»
    Das stimmte. Saddam und sein enthaupteter Schwager waren seltene Ausnahmen. In den meisten Fällen konnten abgesetzte Diktatoren ihr Exil in seliger, reueloser Behaglichkeit verbringen. Auch ihre Schergen und Handlanger konnten meist unbehelligt in der Anonymität untertauchen.
    «Es gibt keine offiziellen, gemeinschaftlichen Bemühungen, diese Leute zur Rechenschaft zu ziehen», fuhr Corben fort. «Das Leben geht weiter. Politiker treten ab, andere nehmen ihren Platz ein, und die Verbrechen der nicht allzu fernen Vergangenheit sind bald vergessen. Niemand im Außenministerium möchte im Moment von alldem hören. Die Iraker selbst sind nicht in der Lage, den Hakim zu verfolgen. Sie haben größere Probleme. Und bei dem katastrophalen Zustand des Landes hier kann ich mir nicht vorstellen, dass die libanesische Regierung sich einschalten möchte.»
    Mia war fassungslos. «Sie arbeiten allein daran?»
    «Weitgehend. Ich kann die Ressourcen meines Dienstes nutzen, wenn und falls ich sie brauche, aber solange ich den Kerl nicht eindeutig – und ich meine, eindeutig! – im Visier habe, kann ich nicht die Kavallerie rufen.»
    Mia starrte ihn bestürzt an. Die Lage wurde mit jeder Minute aussichtsloser. «Er hat an Kindern experimentiert?»
    Corben nickte.
    Ihr Magen zog sich zusammen, als ihr klar wurde, worum es ging. «Wir müssen sie dort rausholen. Aber wir müssen ihn auch stoppen, nicht wahr?» Plötzlich kämpfte sie mit den Tränen.
    Er sah sie an, und in seinem Blick lag eine neue Wärme. Ihre Worte ließen ihn nachdenklich nicken. «Ja.»
    «Wir müssen Faruk finden. Wenn wir ihn erreichen, bevor dieser» – sie zögerte, fasste sich dann aber –, «bevor dieses Monstrum es tut, und wenn er das Buch hat, dann können wir es vielleicht gegen Mom eintauschen.»
    Corbens Miene hellte sich auf. «Das ist meine Hoffnung.»
    Er nahm das Telefon und drückte auf die Wahlwiederholungstaste.

30
    Rames starrte besorgt auf sein Telefon. Es vibrierte mit einem leisen Summen und glitt in kurzen, abgehackten Stößen seitwärts über den Couchtisch.
    Bei jedem Summton leuchtete das LED-Display des Telefons auf und warf einen Augenblick lang seinen gespenstischen, blaugrünen Schein durch das dunkle Wohnzimmer seines kleinen Apartments. Jedes Mal riss er wachsam die Augen auf, gebannt von dem hellen Leuchten. Die Worte UNBEKANNTER ANRUFER – die für jemand standen, der seine Nummer verbarg – starrten ihm beunruhigend entgegen und schienen ihn geradezu zu verspotten. Jedes Mal, wenn das Telefon wieder zum Leben erwachte, erstarrte er, als wäre das Gerät mit seinem Gehirn verkabelt.
    Ungefähr nach dem achten Mal hörte das Summen auf. Das Zimmer lag wieder im Dunkeln – in einer Dunkelheit, in der er sich beklemmend einsam fühlte, nur gelegentlich aufgehellt durch die Scheinwerfer vorüberfahrender Autos unten auf der Straße, die über die großenteils kahlen Mauern strichen. Es war das dritte Mal innerhalb einer Stunde, dass der anonyme Anrufer versuchte, ihn zu erreichen, der Assistenzprofessor hatte jedoch nicht vor, ans Telefon zu gehen. Nur selten bekam er solche Anrufe. Da es im Libanon als gesellschaftlicher Fauxpas galt, seine Nummer zu unterdrücken, wusste er nur zu gut, worum es gehen musste. Und es machte ihm Angst.
    Der Tag hatte angefangen wie jeder andere: Aufstehen um sieben, ein leichtes Frühstück, Duschen und Rasieren, ein erfrischender, zwanzigminütiger Fußweg zum Campus. Bevor er aus dem Haus

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