Immortals After Dark 12 - Lothaire
stärker.«
»Als was?«
»Eine Braut ist die Gefährtin eines Vampirs, die Frau, die ausschließlich für ihn bestimmt ist. Saroya ist die meine.«
Ellie versuchte, diese Information zu verarbeiten –
immer schön offen für alles bleiben
–, dann fragte sie: »Woher weißt du das denn?«
Er legte den Kopf wieder auf jene abwägende Art und Weise auf die Seite, als ob er das Für und Wider einer Antwort abschätzen würde. »Sie hat mich erweckt.« Sie sah ihn nur fragend an. »Jeder erwachsene männliche Vampir wandelt unter den lebenden Toten, bis er seine Gefährtin findet, die ihn erweckt und ins Leben zurückholt. Saroya brachte mein Herz dazu, wieder zu schlagen, ließ meine Lungen wieder Atem schöpfen.« Mit heiserer Stimme fügte er hinzu: »Unter anderem.«
»Woher weißt du denn, dass nicht ich es war, die dich …
erweckt
hat?«
An seinem Kiefer zuckte ein Muskel. »Weil das Schicksal mir etwas derartig Unsägliches nicht antun würde. Ich würde mich in die Mittagssonne stürzen, wenn es mir eine wie dich zur Gefährtin gegeben hätte.«
»Eine wie mich«, wiederholte sie ausdruckslos. Sie war in ihrem Leben schon zu oft beschimpft worden, um an so etwas noch Anstoß zu nehmen. Ihre Haut war inzwischen dick wie ein Panzer.
»Ja, wie dich. Ein ignorantes, sterbliches Mädchen, das höchstens zur Kassiererin im Supermarkt taugt.« Er nahm das schärfste Messer, das das Gedeck vor ihm zu bieten hatte, und drehte es geistesabwesend zwischen linkem Daumen und Zeigefinger.
»Kassiererin? So viel Glück hätte ich mal haben sollen. Solche Jobs sind schwer zu kriegen. Ich habe im Jagd- und Fischereiladen meines Onkels gearbeitet.«
»Dann bist du sogar noch schlimmer. Du bist eine Jagd- und Fischereiladenaushilfe mit
Ambitionen
auf einen Kassiererinnenjob.«
»Immer noch besser als ein Dämon.«
»Saroya ist kein Dämon«, knurrte er. »Ich würde auch keine von denen nehmen.«
»Ach ja, richtig, sie ist eine Göttin. Und du bist ein Vampir. Ich nehme an, Kobolde gibt es auch. Und Gestaltwandler?« Dann riss sie auf einmal die Augen auf. »Und der Mottenmann – ist der real?«
In den Bergen von Virginia kannte jeder diesen geflügelten Dämon mit den roten Augen. Er wurde bis heute immer wieder gesichtet, wie er in der Dämmerung durch die mit Kohlenstaub durchsetzte Luft flog.
Der Sheriff, der Ellie festgenommen hatte, hatte vor anderen noch darüber gescherzt,
möglicherweise
sei der Mottenmann in der Nacht ihrer Verhaftung gesichtet worden – eine amüsante Begegnung auf dem einsamen Peirce Mountain.
»Alles, wovon du jemals geträumt hast, ist real«, sagte Lothaire. »Jede Kreatur, die für einen Mythos gehalten wird. Wir nennen unsere Welt die Mythenwelt. Und nur fürs Protokoll: Der Mottenmann ist ein richtiges Arschloch.«
Bei dieser Antwort blieb ihr glatt der Mund offen stehen. »Wie kommt es, dass ihr euch den Menschen nicht zeigt?«
»Wir werden bestraft, wenn wir uns unnötigerweise als Unsterbliche zu erkennen geben.«
»Dann laufen also all diese ›Mythen‹ klammheimlich auf unseren Straßen herum?«
»Sie stellen Regierungen, spielen Hauptrollen in Filmen, infiltrieren menschliche Monarchien. Deine Spezies ist im Vergleich zu den Mythianern bekanntermaßen schwer von Begriff und unachtsam, darum findet man uns überall auf der Welt – Götter, die unter deinesgleichen wandeln.«
Ihr kam ein grauenhafter Gedanke. »Wenn du mein Blut trinkst, werde ich dann auch zum Vampir?«
Sag Nein, sag Nein, sag Nein.
Er atmete aus. »Wenn es nur so einfach wäre.«
»Oh, Gott sei Dank.«
Das gefiel dem Vampir ganz und gar nicht. Sie konnte die Anspannung praktisch fühlen, die er ausstrahlte. Er drückte die Messerspitze gegen seinen rechten Daumen und drehte sie, bis Blut hinuntertropfte.
Das Schweigen hielt an. »Lothaire?«
Er antwortete nicht. Das Blut tropfte weiter.
Sie fummelte an ihrer Serviette herum. Die ungewohnte Stille steigerte ihre Nervosität.
Im Gefängnis war der ständige Lärm eine Qual für ihre Ohren gewesen. Tagsüber hatten die Insassen gegen die Gitter geschlagen, und die Wärter waren die Stahltreppen hinauf- und hinuntergestampft. Es hatte sich angehört, als ob eine unordentliche Besteckschublade immer wieder aufgezogen und gleich wieder zugeschlagen worden wäre.
Nachts hatten gruselige Stöhnlaute der Lust und des Schmerzes durch den Trakt gehallt. Schreie hatten die kurzen Momente der Ruhe durchschnitten. Die Serienmörderin in der Zelle ihr
Weitere Kostenlose Bücher