I#mNotAWitch 1
Nächten mit seinem Kussversuch in Rage gebracht hatte, war vor meinen Augen gestorben.
Ich konnte es noch immer nicht fassen.
Sein Vater rührte sich nicht von der Stelle. Er hatte aufgehört zu weinen. Makayla Brandon lag noch immer bewusstlos in seinen Armen.
Die jähe Stille bereitete mir eine Gänsehaut. Ich schnappte immer wieder nach Luft, aber ich hatte das Gefühl, dass kein Sauerstoff mehr da war. Alles war so ruhig. Alles war so tot.
Ich hockte noch immer auf dem Parkettboden, meine Knie schmerzten bereits, doch auch ich konnte mich nicht bewegen. Erschüttert starrte ich den Leichnam an. Vielleicht war er ja gar nicht tot? Vielleicht würde er gleich aufwachen?
Aber nein. Sein Gesicht lief langsam gräulich an. Seine Beine lagen ungemütlich verwinkelt auf dem Teppich. Und das Blut tränkte seine Kleidung, seine Umgebung. Alles nahm die Farbe von Rost an, während das Blut trocknete und frisch hervorquoll, trocknete und frisch hervorquoll.
Irgendwann, ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, begann Makayla Brandon sich zu regen. Ich wollte ihr am liebsten zurufen: „Bleib liegen! Wach nicht auf! Das willst du hier nicht sehen!“ Doch das hätte natürlich nichts gebracht. Sie würde irgendwann aufstehen und der grausamen Wahrheit ins Gesicht sehen müssen.
„Walter?“, hauchte sie, als sie die Augen aufschlug.
Ihr Ehemann fing erneut an zu weinen. Er vergrub seinen Kopf in seinen zitternden Händen und wimmerte.
„Walter? Was ist los?“ Sie richtete sich langsam auf und sah sich im Raum um. Erst bemerkte sie den umgefallenen Schrank. Dann den leblosen Jungenkörper, der vor dem Kamin lag.
„Walter! Ist das – ist das – TYLER?!“ Kreischend stand sie ruckartig auf und rannte zu dem Leichnam ihres Sohnes. Sie drehte seinen Körper um, blickte in sein Gesicht. In sein erstarrtes, weißangelaufenes Gesicht. Sie schrie klagvoll auf, schüttelte den Körper, als würde sie ihn damit wieder zum Leben erwecken können, dann legte sie ihren Kopf auf seine Brust und horchte. Ihre Finger krallten sich in sein grünes Hemd, während sie die Augen schloss und weiterlauschte. Doch sie schien nichts zu hören, denn sie brach weinend dort zusammen. Dort, auf der Brust ihres toten Sohnes.
Ich konnte nicht weiter hinsehen. Nein. Nein. Ich wandte den Blick ab, vertrieb die Tränen, die in meine Augen stiegen. Ich wollte nicht weinen. Es tat zu sehr weh.
Hätte ich ihn doch besser behandelt. Nur diese zwei Tage lang. Hätte ich ihm doch den Kuss gestattet. Warum musste ich mich so anstellen? Ich hatte ihm keine Hoffnungen machen wollen. Und dabei hatte ich ihn verletzt. Immer und immer wieder.
Angewidert von mir selbst richtete ich mich auf und schwankte hinaus in den Garten. Dort erbrach ich mich in die Lavendelbüsche meiner Mutter.
Der Wind kroch sich eiskalt durch meinen Pullover, und ich sank zitternd auf das frisch gemähte Gras. Ich wollte meine Gedanken ordnen, doch die Bilder und Erinnerungen überwältigten mich, verursachten einen tiefen, stechenden Schmerz in meinem Herzen – und ich sah Tyler als Kind, wie er mit mir im Sandkasten spielte, ich sah ihn als Jungen, der mir mit seinem Fahrrad hinterher jagte, und ich sah ihn in meinem Zimmer, wie ich ihn anschrie und beschimpfte.
Erneut übergab ich mich und keuchte, hustete.
Ich würde mich nie bei ihm entschuldigen können. Es war alles meine Schuld. Ich hatte letzte Nacht die Vampire besucht. Sie mussten etwas damit zu tun haben. Auch wenn ich mir vielleicht etwas anderes einreden wollte, mein gestriger Ausflug musste mit diesem Nachmittag in Zusammenhang stehen.
Sein Gesicht erschien immer wieder vor meinen Augen. Die letzten Tage war er völlig niedergeschlagen gewesen. Und auch daran trug ich die Schuld.
Vor Krämpfen geschüttelt begann ich doch zu weinen. Stumm. Heiße Tränen flossen über meine Wangen und mein Herz brannte geradezu in meiner Brust.
„Oh, Tyler“, stieß ich irgendwann schluchzend hervor.
Er hatte es nicht verdient zu sterben. Er war jünger als ich. Und dann auch noch auf diese brutale, respektlose Weise. Ich hasste diese Vampire. Ich hasste sie aus tiefstem Herzen.
Arme legten sich um meine Schultern. Phoebes tröstende Stimme tanzte an mein Ohr heran. Ich verstand ihre Worte nicht. Stattdessen dachte ich über Bailey nach, die ihren Bruder verloren hatte. Und ich dachte an Makayla und Walter Brandon, die mir niemals vergeben würden.
„Quinn, bitte, hör auf zu weinen“, flüsterte Phoebe und
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