Imperator 02 - König der Sklaven
und hielt inne. Tubruk betrachtete seine Hände, und sie sprach schnell weiter, damit er ihr die Bitte nicht sofort abschlagen konnte.
»Seine Familie ist entfernt mit der von Julius verwandt. Ihre Großväter waren Brüder oder verschwägert oder so etwas. Du bist der Einzige, den ich kenne, der ihn vor den Straßenbanden schützen kann, Tubruk. Du rettest ihm damit das Leben. Ich würde dich nicht bitten, wenn es jemand anderen gäbe, aber …«
»Ich werde ihn aufnehmen«, sagte Tubruk plötzlich. Alexandria blinzelte überrascht, und er lachte leise. »Hast du etwa gedacht, ich würde es nicht tun? Ich kann mich noch daran erinnern, wie du dein Leben für dieses Haus riskiert hast. Du hättest weglaufen und dich im Stall verstecken können, aber du hast es nicht getan. Das ist für mich Grund genug. Auf einem Gut wie diesem gibt es immer Arbeit, auch wenn wir etwas von unserem Land verloren haben, seitdem du das letzte Mal hier warst. Keine Angst, er wird sich sein Essen schon verdienen. Willst du ihn gleich hier lassen?«
Alexandria hätte den alten Gladiator am liebsten umarmt.
»Ja, wenn es dir recht ist. Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann. Vielen Dank. Darf ihn seine Mutter von Zeit zu Zeit besuchen kommen?«
»Da muss ich Aurelia fragen, aber ich denke, das müsste möglich sein, wenn es nicht zu oft ist. Ich erzähle ihr von der Familienverbindung, das gefällt ihr bestimmt.«
Alexandria stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.
»Vielen Dank«, sagte sie wieder.
Sie drehten beide die Köpfe, als sie von draußen schnelle Schritte nahen hörten. Octavian kam aufgeregt und mit rotem Gesicht hereingestürzt.
»Da sind Pferde im Stall!«, verkündete er, und die beiden Erwachsenen mussten lächeln.
»Es ist lange her, dass wir Knaben in diesem alten Gemäuer hatten. Ich freue mich darauf, ihn hier zu haben«, sagte Tubruk.
Octavians Blick wanderte zwischen ihnen hin und her, während er nervös von einem Fuß auf den anderen trat.
»Dann darf ich also bleiben?«, fragte er leise.
Tubruk nickte. »Auf dich wartet hier jede Menge harte Arbeit, mein Junge.«
Der Kleine sprang vor Freude in die Luft. »Es ist wunderschön hier!«, sagte er.
»Er hat die Stadt seit seiner frühesten Kindheit nicht mehr verlassen«, sagte Alexandria verlegen. Sie umfasste Octavians Hände und hielt ihn mit ernstem Gesicht fest.
»Also, tu alles, was man dir sagt. Deine Mutter kommt dich besuchen, sobald du dich eingelebt hast. Arbeite ordentlich und lerne, so viel du kannst. Hast du mich verstanden?«
Octavian nickte und strahlte sie an.
»Danke, Tubruk. Ich kann dir gar nicht sagen, wie viel mir das bedeutet.«
»Hör mal, Mädchen«, sagte er knurrend. »Du bist jetzt eine freie Frau. Du hast den gleichen Weg hinter dir wie ich. Selbst wenn du bei dem Aufstand nicht mitgekämpft hättest, würde ich dir helfen, so gut ich kann. Ab und zu müssen wir uns um einander kümmern.«
Sie sah ihn an und verstand mit einem Mal. Ihr ganzes junges Leben lang war er immer nur der Gutsverwalter gewesen. Sie hatte vergessen, dass er genauso viel über die Sklaverei wusste wie sie, dass zwischen ihnen eine Verbindung bestand, die ihr nie klar gewesen war. Sie ging mit ihm zum Tor, und alle Anspannung wich von ihr.
Dort standen Brutus und Renius, hielten zwei junge Stuten am Zügel und unterhielten sich leise. Als Brutus Alexandria erblickte, schaute er sie überrascht an. Ohne ein Wort reichte er Renius die Zügel, stürzte auf sie zu, umarmte sie und hob sie hoch.
»Bei den Göttern, Mädchen! Dich habe ich ja seit Jahren nicht mehr gesehen.«
»Lass mich runter «, verlangte sie wütend, und Brutus hätte sie bei diesem eisigen Tonfall beinahe fallen lassen.
»Was hast du denn? Ich dachte, du würdest dich freuen, mich zu sehen, nach all den …«
»Ich lasse mich von dir nicht behandeln wie eines deiner Sklavenmädchen!« Ihre Wangen brannten. Am liebsten hätte sie selber über ihren plötzlichen Anfall von Stolz gelacht, doch das ging ihr alles zu schnell. Stumm vor Verlegenheit hielt sie die Hand hoch, an der der Ring fehlte, der sie als Sklavin auswies.
Brutus lachte.
»Ich wollte dich nicht kränken, Herrin«, sagte er und verbeugte sich tief.
Sie hätte ihn am liebsten getreten, aber vor den Augen Octavians und Tubruks musste sie seinen fröhlichen Spott über sich ergehen lassen. Unausstehlich! So war er schon immer gewesen. Ihr fiel etwas ein, das ihr Julius erzählt hatte, und als sich
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