Imperator 03 - Das Feld der Schwerter
Dreihundert Meilen sind nur ein Schritt auf dem Weg, den ich vor mir sehe. Wir sind nicht nur für diesen Sommer hier, Marcus Antonius. Wir sind hier, weil wir hier bleiben, sobald ich den Pfad für diejenigen ausgetreten habe, die uns nachfolgen werden.«
Marcus Antonius lauschte ihm verwundert.
»Aber Ariovist ist einer der unseren! Du kannst doch nicht einfach …«
Julius nickte und brachte ihn mit erhobener Hand zum Schweigen.
»Es dauert einen Monat, um von hier bis zur Ebene eine Straße für die Wurfmaschinen und die anderen Kriegsgeräte zu bauen. Ich habe nicht vor, noch einmal ohne sie in den Krieg zu ziehen. Ich will einen Boten zu diesem Ariovist schicken und ihn um ein Treffen bitten. Ich werde ihm mit allem Respekt begegnen, der einem Freund meiner Stadt zukommt. Bist du damit zufrieden?«
Marcus Antonius sank erleichtert in sich zusammen.
»Selbstverständlich, Herr. Ich hoffe, du fühlst dich durch meine Worte nicht gekränkt. Ich habe nur an deine Stellung in der Heimat gedacht.«
»Ich verstehe. Jetzt schicke mir einen Boten her, der meinen Brief in Empfang nimmt«, erwiderte Julius lächelnd.
Marcus Antonius nickte und ging hinaus. Julius drehte sich zu Adàn um, der der Unterhaltung mit offenem Mund gelauscht hatte.
»Was hältst du hier Maulaffen feil?«, fuhr ihn Julius an, bereute seine Worte aber sogleich wieder. Sein Kopf hämmerte, und sein Magen fühlte sich an, als wäre er durch das nächtliche Übergeben völlig ausgequetscht worden. Eine dumpfe Erinnerung stellte sich ein, wie er im Dunkeln zum Badehaus hinausgetorkelt war und dort große Mengen einer dunklen Flüssigkeit in den Abfluss von sich gegeben hatte. Jetzt war nur noch Galle übrig, doch auch die rumorte und stieg immer wieder in seiner Kehle hoch.
Adàn wählte seine Worte mit Bedacht.
»So muss es einst auch für mein Land gewesen sein. Die Römer entscheiden über unsere Zukunft, als hätten wir in dieser Angelegenheit überhaupt nichts mitzureden.«
Julius setzte zu einer scharfen Antwort an, überlegte es sich jedoch anders.
»Glaubst du, die Männer von Karthago hätten bei ihren Eroberungen geweint? Und was glaubst du denn, wie dein Volk über das Schicksal derjenigen befunden hat, die es bei seiner Ankunft in Spanien dort vorfand? Diese Kelten kamen aus irgendeinem fremden Land. Glaubst du, deine Vorfahren hätten sich groß Gedanken über die ursprünglichen Bewohner gemacht? Und vielleicht sind sogar die in grauer Vorzeit einmal Eindringlinge gewesen. Glaub ja nicht, dein Volk sei besser als das meine, Adàn.«
Julius setzte Daumen und Zeigefinger auf den Nasenrücken und schloss die Augen. Die pulsierenden Kopfschmerzen ließen nicht nach.
»Ich wünschte, ich hätte einen klareren Kopf, um dir zu erklären, was ich meine. Es ist mehr als nur Stärke, worauf es ankommt. Karthago war stark, aber der Sieg über Karthago hat die Welt verändert. Griechenland war einmal die größte Macht, doch als sie schwächer wurde, kamen wir und haben uns diese Macht einverleibt. Bei den Göttern, ich habe zu viel Wein getrunken, um schon so früh zu streiten.«
Adàn unterbrach ihn nicht. Er spürte, dass Julius kurz vor etwas Wichtigem stand und beugte sich in seinem Stuhl weiter nach vorn, um ihn besser zu verstehen. Julius’ Stimme war fast nur noch ein hypnotisches Flüstern.
»Länder werden mit Blut erobert. Frauen werden geschändet, Männer getötet, jede Gräueltat, die man sich vorstellen kann, geschieht tausendfach, aber dann ist es vorbei, und die Sieger besiedeln das Land. Sie bestellen den Boden, errichten Städte und erlassen Gesetze. Die Menschen gedeihen, Adàn, ob es dir gefällt oder nicht. Dann halten Recht und Gesetz Einzug. Diejenigen, die ihren Nachbarn weiterhin Hab und Gut rauben, werden hingerichtet, werden aus der Gemeinschaft der anderen herausgeschnitten. Das muss so sein, denn selbst Eroberer werden alt und lernen den Frieden zu schätzen. Das Blut der Invasoren vermischt sich mit dem der Einheimischen, bis sie hundert Jahre später nicht mehr Kelten oder Karthager, nicht einmal mehr Römer sind. Sie sind wie … Wein und Wasser, es lässt sich nicht mehr trennen. Alles beginnt auf dem Schlachtfeld, aber dann werden sie mit jeder Welle mehr erhoben. Ich sage dir, Adàn, wenn ich jemals ein Land finde, das nicht im Feuer gehärtet wurde, dann zeige ich dir dort Wilde, wo wir unsere Städte errichtet haben.«
»Glaubst du das wirklich?«, fragte Adàn.
Julius öffnete die Augen.
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