Imperator 04 - Die Götter des Krieges
sich Julius auf die Fahnenstange. Er sagte kein Wort zu den Männern, die in der Dunkelheit um ihn her standen. Er verachtete sie, denn seine Lektionen über Angst hatte er schon vor so langer Zeit gelernt, dass er sich nicht einmal mehr daran erinnern konnte. Vielleicht war es Renius’ Vorbild gewesen, das seines Vaters, oder vielleicht auch Tubruks schlichte Form von Mut, doch sie waren für immer in seinem Gedächtnis verankert. Was ein Mann auch sonst zuwege bringen mochte, es war alles wertlos, wenn er sein Handeln von Furcht bestimmen ließ. Wenn es die Angst vor dem Schmerz war, musste man sich ihr stellen und sie niederringen. Was bedeutete der Schmerz schon? Wunden verheilten wieder, und selbst die, die nicht heilten, waren besser, als mit der Schande leben zu müssen. Julius hatte verkrüppelte Männer gesehen, die sich immer noch stolz hielten. Sie trugen die Narben mit demselben Mut, den sie gezeigt hatten, als ihnen die Wunden zugefügt worden waren.
Er hob den Kopf, während die feindlichen Reiter durcheinander wimmelten und wie er auf den Befehl warteten, der sie auf ihn zustürmen lassen würde. Er würde nicht schreien, und er würde nicht weglaufen.
Pompeius ritt an die Spitze seiner Kavallerie. Jeder Stoß seines Pferdes ließ Schmerz aufzucken und vor seinen Augen alles verschwimmen. Er hatte die Alarmrufe gehört und seine Inspektion unterbrochen, um ihnen nachzugehen. Jetzt hatten sich seine Augen beim Anblick von Julius’ davonlaufenden Legionären zu schmalen Schlitzen verengt.
Er sah Labienus auf sich zugaloppieren und erwiderte seinen Gruß.
»Was ist hier los?«, fragte er.
»Ein nächtlicher Angriff, Herr. Wir haben ihn zurückgeschlagen, und eine Attacke der Kavallerie wird sie endgültig vernichten.«
Beide Männer sahen über das Lager hinweg zu dem fliehenden Feind hinüber, der in der Dunkelheit verschwand. Eine einsame Gestalt schwang in der Ferne eine Fahne in der Dunkelheit, und die Bewegung zog Pompeius’ Augen auf sich. Er sah, wie der Mann die Standarte in den Boden rammte, wo der Wind an ihr zerrte. Der Mann stand unnatürlich ruhig da und wandte den weißen Fleck seines Gesichtes den Reitern zu. Pompeius runzelte misstrauisch die Stirn.
»Das ist ein Sieg für uns, Herr«, sagte Labienus eindringlich. »Mit Eurer Erlaubnis nehme ich die Extraordinarii und reite sie nieder.«
»Das ist eine Falle«, erwiderte Pompeius. »Da bin ich mir ganz sicher. Oder hast du schon jemals gehört, dass Cäsars Legionen vor Angst davonrennen? Er will , dass wir in die Nacht hinausreiten, irgendwohin, wo er etwas für uns vorbereitet hat. Nein! Du hältst bis zum Morgengrauen hier die Stellung.«
Labienus sog die Luft ein und zischte durch die Zähne, während er versuchte, seine Wut zu beherrschen. »Das glaube ich nicht, Herr. Sie haben hunderte Männer gegen meine Schlachtreihen verloren.«
»Und er hat drei Männer zum Sterben in mein Zelt geschickt, nur damit Lügen unter meinen Getreuen verbreitet werden, Labienus. Das hätte dir zeigen sollen, aus welchem Holz er geschnitzt ist. Er täuscht gerne, aber ich lasse mich nicht täuschen. Du hast meine Befehle gehört!«
Pompeius’ Augen waren kalt und unerbittlich, und Labienus wusste, dass er ihn entweder töten oder aber akzeptieren musste, was ihm befohlen worden war. Letztendlich blieb ihm nicht einmal diese Wahl.
»Ja, Herr«, sagte er schließlich und senkte den Kopf. »Ich gebe den Befehl zum Rückzug.«
Pompeius sah seine Verzweiflung sehr deutlich, obwohl sich Labienus Mühe gab, sie zu verbergen. Trotz der Schmerzwellen, die ihn durchliefen, zwang er sich zu sprechen. »Du hast deine Aufgabe hier sehr gut erfüllt, General. Ich werde deine Loyalität nicht vergessen.«
Pompeius ließ seinen Blick über das Lager gleiten und sah, wie sich der Standartenträger umdrehte und in der Dunkelheit verschwand. Zurück blieb nur die flatternde Fahne, wie ein matter Farbfleck vor dem Nachthimmel. Mit einem letzten Blick zu Labienus wendete Pompeius sein Pferd und ritt davon, und seine Kavallerie folgte ihm.
Labienus sah die Enttäuschung auf ihren Gesichtern, die seine eigene nur widerspiegelte. Es war keine Falle gewesen. Labienus hatte genügend Schlachten geschlagen, um zu erkennen, wenn der Feind gebrochen war. Manchmal wurde dieser Moment von einem einzigen Feigling ausgelöst, der sein Schwert zu Boden warf. Manchmal gab es aber auch diese seltsame, wortlose Übertragung, wenn selbst die Männer der Mut verließ, die
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