Imperator 04 - Die Götter des Krieges
an dieses Geschehen zu erinnern.
Die Dritte wartete schweigend darauf, dass er zu sprechen anfing. Ein kalter Wind wehte durch ihre Reihen, als Julius zu seinem Pferd schritt und aufstieg.
»Ihr habt mit mir in Gallien gekämpft. Soll ich euch die Namen der Stämme und Schlachten nennen? Die Helvetier, die Sueben, die Belger, die Nervier … noch mehr? Ihr habt mit mir in Gergovia und Alesia gegen Vercingetorix gekämpft, und in Britannien auch. Ihr wart an meiner Seite, als ich die Männer in Corfinium begnadigt habe, und ihr habt hier in Griechenland mit mir Dyrrhachium eingenommen.«
Er machte eine Pause und schloss angewidert die Augen.
»Als ihr geflohen seid, habt ihr eure Ehre auf dem Feld zurückgelassen. Alles, was ihr zuvor gewesen seid, ist letzte Nacht zu Asche geworden. Ihr habt mich entehrt und beschämt, und ich hätte nie geglaubt, dass ich so etwas würde mit ansehen müssen. Nicht von euch! Nur meine Zehnte ist länger an meiner Seite gewesen als ihr.«
Von seinem Pferd herunter konnte er über die versammelten Reihen hinwegsehen. Die Männer starrten geradeaus und wagten nicht, ihn anzusehen. Einige von ihnen zitterten vor Scham, als sei er ein Vater, der seine schuldbewussten Söhne schalt. Julius schüttelte den Kopf und starrte lange Zeit ins Nichts.
»Eure Leben sind verwirkt«, zwang er sich schließlich weiterzureden. »Für Feigheit kann es nur eine Strafe geben.«
Auch Octavian hatte sein Pferd bestiegen und trabte jetzt an den schweigenden Reihen vorbei auf Julius zu. Als er nahe genug heran war, beugte er sich nach vorne, damit nur Julius ihn hören konnte. »Herr, die Zehnte hat zu wenig Männer. Lass sie die Besten unter ihnen auswählen.«
Mit rot geränderten Augen wandte sich Julius seinem jungen Verwandten zu und nickte schließlich. Dann hob er den Kopf und wandte sich wieder an die Dritte.
»Ich habe keine Söhne, und ich habe auch nie welche gebraucht, solange ich euch hatte. Jetzt soll es zwischen uns vorbei sein. Wir sind weit genug miteinander gegangen.« Er räusperte sich und erhob die Stimme, so laut er konnte. »Meine Zehnte ist knapp an Männern. Sie werden zwischen euch umhergehen, und einige von euch werden ihre Ränge verstärken. Der Rest von euch wird dezimiert. Die Überlebenden werden die Plätze der Gefallenen in meinen loyalen Legionen einnehmen. Ich habe keine Verwendung mehr für euch.«
Aus den Reihen der Dritten erhob sich angsterfülltes Gemurmel. Keiner bewegte sich von seinem Platz. Julius vernahm den flehenden Unterton in ihren Stimmen und bemühte sich, ihn zu überhören.
»Zehnte Legion! Vortreten! Sucht euch die besten Männer aus. Ihr werdet beaufsichtigen, was danach geschieht.«
Er sah zu, wie die Zenturionen seiner Zehnten zwischen den Männern umhergingen. Er war erschöpft und verzweifelt, denn sie hatten in der vergangenen Nacht hunderte guter Männer durch Tod oder Gefangenschaft verloren. Trotzdem blieben ihm noch mehr als dreitausend Soldaten seiner Veteranenlegion. Er konnte sie so weit weg von Rom nicht einfach entlassen, denn nur um zu überleben, wären sie gezwungen gewesen, die Dörfer und Städte Griechenlands zu plündern. Auf diese Weise würde eine Plage über römische Bürger hereinbrechen, die früher oder später gejagt und vernichtet werden musste. Es blieb ihm also keine andere Wahl, als diesen Tag mit ihrem Blut zu besudeln. Sie waren geflohen.
Die Offiziere der Zehnten taten ihre Wahl mit einer flüchtigen Berührung an der Schulter kund, und jeder der Erwählten schien vor Erleichterung ein wenig in sich zusammenzusacken, als könne er nicht glauben, was ihm geschehen war. Als sie zur Zehnten hinaustraten, hinterließen sie Lücken in den Rängen, und Beschämung wie Erleichterung hielten einander die Waage.
Während die Auswahl getroffen wurde, warf Julius Octavian einen misstrauischen Blick zu, doch sein General beobachtete ihn bereits. Der junge Mann saß steif vor Anspannung im Sattel, und als Julius den Mund öffnete, um die Auswahl zu unterbrechen, sah er Octavian beinahe unmerklich und mit flehenden Augen den Kopf schütteln. Julius ließ den Blick wieder über die Reihen schweifen und schwieg.
Die ausgewählten Männer formierten sich in einer dritten Gruppe neu, die bei der Zehnten stand, und es wurde bald klar, dass die Offiziere Julius’ Befehle zu ihrem eigenen Nutzen ausgelegt hatten. Julius nahm an, dass Octavian dahinter steckte, und er konnte nur zusehen, wie jeder einzelne Mann der Dritten
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