Imperator 04 - Die Götter des Krieges
zeigen, wie sehr er seine Hoffnungen auf die Männer setzte, die auf der Rückseite des Gebäudes auf die niedrigeren Dächer kletterten.
Die Zeit würde kommen, wenn er gezwungen war, die Legionen gegen den Feind zu schicken. Das wusste er. Wenn der richtige Augenblick gekommen war, würde er einen vernichtenden Schlag wagen, doch er befürchtete, dass er seine Männer gegen einen zahlenmäßig derart überlegenen Feind ins Verderben führen würde. Kleopatra hatte sich mit ihrer Kenntnis hinsichtlich ihrer Taktik und ihrer Stärke als unbezahlbar erwiesen, aber die Zehnte und die Vierte waren auch so hoffnungslos in der Unterzahl. In seinen geheimsten Gedanken wünschte er manchmal, er hätte die Stadt damals einfach verlassen, nachdem seine Zeit um war. Dann wurde er jedes Mal wütend. Er würde nicht vor einer Rotte fremder Soldaten davonlaufen, und wenn doch, dann würde er irgendwo Vorräte auftreiben und Verstärkung aus Griechenland und Spanien anfordern. Die Ägypter würden erfahren, was es bedeutete, das Leben des Mannes zu bedrohen, der Rom regierte.
Auf der Rückseite des Palastes stand Domitius mit Brutus am Fenster und band dessen Handgelenke sorgfältig mit einem Streifen Wachsstoff zusammen, an dem er in die Arme der weiter unten wartenden Legionäre rutschen konnte. Es war nicht einfach, fünfhundert Soldaten ohne einen Laut von hier nach dort zu befördern, doch bisher hatten sie keine Alarmrufe ausgelöst. Der Plan verlief reibungslos.
Als Domitius den Knoten festzog, spürte er, dass Brutus ihn in der Dunkelheit anstarrte.
»Wir waren einmal Freunde«, sagte Brutus.
Domitius schnaubte leise. »Das könnten wir auch wieder sein, alter Knabe. Die Männer werden dich mit der Zeit akzeptieren, obwohl, Octavian … nun ja, der vielleicht nicht.«
»Ich bin froh, dass du für mich gesprochen hast.«
Domitius packte ihn an der Schulter. »Du hast unser aller Leben deines Stolzes und deiner Launen wegen aufs Spiel gesetzt. Es gab Zeiten, da hätte ich dir lieber ein Messer zwischen die Rippen gerammt.«
»Ich würde alles anders machen, wenn ich könnte«, sagte Brutus wahrheitsgemäß.
Domitius nickte und half ihm, die Beine über den Rand zu schwingen. »Ich habe mit dir auf den weißen Klippen Britanniens gestanden«, sagte er. »Du hast diesen riesigen blauen Kerl mit der Axt getötet, als ich hilflos auf dem Rücken lag. Das zählt etwas.« Er sprach langsam, mit leiser und ernster Stimme. »Ich kann dich nach dem, was du getan hast, nicht Bruder nennen. Aber vielleicht kommen wir miteinander aus, ohne einander in die Suppenschüssel zu spucken.«
Brutus nickte bedächtig, ohne sich umzusehen.
»Das freut mich«, sagte Domitius und schubste ihn vom Sims.
Brutus hielt den Atem an, als das Seil ein Stück durchsackte und sein anfänglicher Sturz sich zu einem sanften Abwärtsgleiten verlangsamte. Auf halbem Weg nach unten, als unter ihm nichts als gähnende Dunkelheit lauerte, kreiselte er, der Stoff verdrehte sich und bremste ihn jäh ab. Seine geschwächten Muskeln protestierten, als er heftig mit den Beinen strampelte. Mit einiger Anstrengung gelang es ihm, sich wieder umzudrehen, und schon fing er wieder an zu rutschen. Sein Arm schmerzte mehr, als er sich eingestehen wollte, doch er biss die Zähne zusammen und fand sich kurz darauf in den Armen der Männer unten auf dem Dach wieder. Sie lösten schweigend seine Handfesseln und reichten ihm sein Schwert, das er sich um die Hüfte gürtete. Genau wie er trugen auch sie keine Rüstung und keine Schilde. Ihre Gesichter waren mit Ruß geschwärzt, und nur das Weiß der Zähne und der Augen im Mondlicht verriet, wo sich die Soldaten wie Schimmel über das Dach verteilt hatten. Auch die riesenhafte Gestalt von Kleopatras Sklaven Ahmose hockte stumm und finster auf den Ziegeln.
Ehe Brutus aus dem Weg gehen konnte, prallte ihm Domitius gegen den Rücken und schickte ihn bäuchlings auf die Ziegeln.
»Jetzt kommen keine mehr«, hörte er Domitius flüstern, als er ihn durch die Männer nach vorne führte.
Die Ziegel knackten unter ihren Füßen, und sie konnten nur hoffen, dass man ihrem Vormarsch unten nicht folgte und keine Bogenschützen bereit waren, sie abzuschießen, wenn sie hinunterkletterten. Das Dach ging ohne Zwischenraum ins nächste über, das dritte jedoch war zu weit entfernt, um einfach so hinüberzusteigen.
»Da muss einer rüberspringen«, sagte Domitius.
Im Mondlicht sah die Gasse breiter aus, als sie hätte sein
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