Imperator 04 - Die Götter des Krieges
trug einen Umhang, der im schwachen Wind flatterte und die pechschwarze Stola darunter sehen ließ. Auf den Pflastersteinen unter ihm hörte Belas ihre Schritte, die genau vor dem Haus anhielten, das er beobachtete.
Er musste einfach hinunterschauen. Mit klopfendem Herzen rückte er näher ans Fenster und spähte hinab. Seine Hände umklammerten mit jäher Anspannung den Fenstersims, und sein Mund öffnete sich zu einem leisen Fluch. Was er da sah, war schlichtweg unmöglich!
Die Gestalt hielt einen Weinschlauch in der Hand, der so schlaff herabhing wie der Hodensack eines alten Mannes. Belas sah, wie sie den Kopf zurücklegte und das Licht der Fackeln auf ihren Hals fiel. Das war keine Frau. Das Gesicht war sehr geschickt geschminkt, und trotz der scheinbaren Trunkenheit wirkte selbst der Gang sehr weiblich. Aber Belas hatte in den großen Theatern selbst schon Frauen gespielt und wusste Bescheid. Insgeheim applaudierte er dem Mann für seinen Wagemut und fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis man ihn entdeckte. Sie würden ganz sicher nicht sehr zartfühlend mit ihm umgehen. Mitternacht war schon lange vorüber, und in diesen späten Nachtstunden hatte kein Mann mehr das Recht, in der Stadt herumzulaufen. Wenn die Vestalinnen den Eindringling zu fassen bekamen, konnte er froh sein, wenn sie ihn nicht festhielten und auf der Stelle kastrierten. Bei dem Gedanken schauderte Belas und überlegte, ob er dem Fremden vielleicht bis zum Morgengrauen Asyl bieten sollte. Er holte soeben Luft, um ihn anzurufen, als er sah, wie die Bewegungen des Mannes mit einem Mal wieder wach wirkten, während er in den Garten gegenüber spähte.
Erst jetzt begriff Belas, dass auch die Trunkenheit nur gespielt war. Der Fremde war kein junger Narr, der mit seinen Freunden eine Wette abgeschlossen hatte, sondern etwas weitaus Gefährlicheres. Könnte er ein gedungener Mörder sein? Belas fluchte innerlich, weil er während des Bona-Dea-Festes keine Möglichkeit hatte, Servilia zu benachrichtigen. Ganz egal, was jetzt geschah, er würde sein sicheres kleines Refugium auf keinen Fall verlassen.
Er sah zu, wie der Mann den Anblick und die Geräusche, die Belas verwehrt blieben, in sich aufnahm. Dann torkelte er durch das Tor in den duftenden Garten dahinter, und Belas blieb mit seiner Neugierde allein zurück. Selbst in seinen wildesten Jugendjahren hätte er niemals riskiert, an diesem Fest draußen herumzulaufen.
Ungeduldig wartete er, dass sich wütendes Geschrei erhob, sobald die Tarnung des Mannes aufflog. Als es aber ausblieb, trat er unruhig von einem Bein auf das andere.
Er brauchte eine ganze Weile, um zu begreifen, dass der Mann nicht wieder herauskommen würde, weder freiwillig noch gezwungenermaßen. Die Gefahr der Situation hatte ihn so gebannt, dass ihn die Empörung beinahe erstarren ließ, als ihm der Verdacht schließlich dämmerte. Er konnte nicht glauben, dass der Fremde so viele Frauen lange täuschen konnte, wenn überhaupt. Dann war er also erwartet worden? Belas stand in der Dunkelheit und wog alle Möglichkeiten gegeneinander ab. Vielleicht war der Mann ja ein Lustknabe, den die Frauen für diesen Abend eigens angeheuert hatten. Diese Möglichkeit war dem kaltblütigen Abenteurer jedenfalls definitiv vorzuziehen, der vielleicht gerade jetzt Pompeia auf eine seidene Liege sinken ließ. Belas summte vor sich hin, so wie er es manchmal tat, wenn ihm etwas Sorgen bereitete. Ihm war klar, dass er einen Blick in das Haus werfen musste.
In stockfinsterer Dunkelheit ging er vorsichtig die zwei Treppen hinunter, bis er das polierte Holz der Haustür spürte. Behutsam öffnete er sie und spähte hinaus. Die schnarchende Frau kippte über die Schwelle herein, weil er ihr die Stütze entzogen hatte, und Belas stand erschrocken still, als sie ihm vor die Füße plumpste. Sie wachte nicht auf, als er sie unter den Armen packte und zur Seite zog. Angespannt beobachtete er, ob sie sich bewegte, und spürte den eigenen Herzschlag pulsieren. Für einen solchen Abend hatte er wirklich eine bessere Bezahlung verdient.
Belas schickte ein Stoßgebet zu all den männlichen römischen Göttern gen Himmel, damit sie ihm ihren Schutz gewährten, und spurtete hastig über die Straße. Die Tür hinter ihm ließ er einen Spalt offen stehen. Mit übertriebener Vorsicht spähte er um den Torpfosten von Marius’ altem Anwesen herum. Seine Fantasie ging langsam mit ihm durch.
Gleich hinter dem Tor lag eine splitternackte Frau lang
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