Imperator
umgebaut und ausgebessert, und so würde es immer sein.
»Weißt du noch, wie wir vor all diesen Jahren nach Rutupiae gefahren sind?«, fragte Lepidina. »Meine Mutter hat mir erzählt, die Legionäre hätten dort nach ihrer Landung gleich als Erstes einen Wall errichtet, einen Schutzwall aus Holz und Grassoden, um die örtlichen Barbaren von dieser kleinen Insel vor der Küste fernzuhalten. Und nun haben sich die römischen Wälle durch ganz Britannien bis hierher vorgearbeitet, um … das zu werden. Wie viele Meilen lang – siebzig, nicht wahr?«
»Inzwischen wohl achtzig«, sagte Brigonius. »Kommt darauf an, wie man misst – an beiden Enden mündet der Wall in Verteidigungsanlagen an der Küste, die von Soldaten der Flotte gebaut wurden.«
»Der alte Xander wäre entzückt gewesen, das zu sehen, wenn er es noch erlebt hätte.«
»Ja, mag sein«, sagte Brigonius zweifelnd. »Aber schau dir das an.« Er führte sie ein Stück weiter, zum nächsten Meilen-Kastell. Dort sah man deutlich zwei dicke Mauerflügel aus den Außenmauern der Festung ragen, während die eigentliche Wallmauer an den Anschlussstellen viel dünner war. »Wir mussten Kompromisse eingehen, die Xander verabscheut hätte. Dieses Meilen-Kastell wurde schon vor der Entscheidung errichtet. Es sollte sich mit diesen Stummelflügeln in eine dickere Mauer einfügen. Aber dann haben wir beschlossen, den Mauerdurchmesser zu reduzieren, und darum passen die Flügel nun nicht mehr. Es gibt noch weitere derart verpfuschte Stellen, wo man sehen kann, wie dünnere Steinreihen dickere überlagern.«
»Ich verstehe. Es ist alles ziemlich unordentlich.«
»So sind Soldaten nun mal«, sagte Brigonius. »Sie arbeiten solide und schnell, aber das Ergebnis ist immer eher zweckmäßig als elegant.«
»Mag sein, aber schau dich um! Das ist mehr als ein Wall. Es ist wie eine gewaltige Stadt, die sich über achtzig Meilen von einer Küste zur anderen erstreckt. Ich lebe in Rom, aber ich habe noch nie etwas dergleichen gesehen – ich wage zu behaupten, dass es auf der ganzen Welt nichts dergleichen gibt. Aber hier ist es, in Britannien, und du hast es gebaut, Brigonius. Und selbst wenn Rom verschwunden ist – oh, keine Widerrede, unser Kaiser, der selbst über die Trümmer verschwundener Reiche herrscht, hat ein profundes Gespür für die Vergänglichkeit aller Dinge –, selbst wenn die Römer vergessen sind, werden die mächtigen Ruinen dieses Walls den Menschen Ehrfurcht einflößen.«
Aus einem spontanen Impuls heraus sagte er: »Weißt du, du erinnerst mich an deine Mutter.«
Sie warf ihm einen misstrauischen Blick zu. »Was meinst du damit?«
Er hob die Hände. »Nur ihre besten Eigenschaften. Als wir damals von Rutupiae nach Norden gefahren sind – erinnerst du dich? Sie sprach mit mir, und es war, als sähe ich mein Land durch ihre Augen. So ist es jetzt auch mit dir.«
Sie schürzte die Lippen. »Ich glaube, du versuchst, mir ein Kompliment zu machen.«
Er seufzte. »Aber diese Frau drängt sich immer wieder zwischen uns, nicht wahr?«
»Ja, so ist es. Wollen wir weiterreiten?«
Sie ritten im Schritttempo weiter an der Linie des Walls entlang, und die Sonne stieg stetig in den Himmel empor. Brigonius erzählte von seiner Frau, seinen Jungen; sie sprach von ihren Kindern, die unter so unvorstellbar anderen Umständen aufwuchsen. Und sie unterhielten sich über die alten Zeiten, über Karus, der sich schon vor längerem nach Camulodunum zurückgezogen hatte – »Mir reicht es mit den geschichtsträchtigen Dingen«, hatte er protestiert, »ich will noch etwas vom Leben haben!« –, und über den alten Tullio, der seine fünfundzwanzig Jahre im Heer abgeleistet, ein ausgedehntes Gehöft mit einer Brut rothaariger Enkelkinder gefüllt und weiterhin seinen mächtigen Schwanz als Bezugspunkt in jedem Gespräch gebraucht hatte, bis er friedlich in seinem Bett entschlafen war.
Sie hielten auf einer anderen hoch gelegenen Stelle inne und blickten auf ein weiteres Stück des Walls hinab, das sich in der Ferne verlor.
»Vorhin hast du zu mir gesagt, du hättest das Gefühl, als gehörte ich noch immer an deine Seite.«
»Du hast es an meiner statt gesagt«, rief er ihr sanft ins Gedächtnis.
»Aber du hast es gedacht.«
»Das stimmt.«
»Und denkst du auch jetzt noch so?«
»Ich weiß es nicht«, sagte er aufrichtig. »Es ist zu viel geschehen.«
»Ja. Damit wir zusammen sein könnten, müsste der
Zeitteppich aufgeräufelt und neu
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